Begegnung im Schatten
„Wochenendhaus“?
Handelt sie wirklich auf eigene Faust? Dilettantisch genug ist sie. Jedenfalls zur Polizei geht die nicht. Und ob sie Geld bekommt, darüber muss ich nachdenken…’
Obwohl er diese Gegend von Fraunheim nicht kannte, fand Markus Markowitsch den von der Schmidt bestimmten Treffpunkt schnell und für ein solches Vorhaben bestens geeignet, obwohl er sich nicht wenig wunderte, dass gerade sie diesen Ort gewählt hatte. Das Geld hätte sie, weiß Gott, in jedem Restaurant übernehmen können. Hatte sie doch vor etwaigen Beobachtern Angst?
Er hatte sich fast eine Stunde vor dem Zeitpunkt zu Fuß und sich ständig vergewissernd, ob ihm jemand folge, am Fernmeldeturm eingefunden, das Umfeld erkundet und sich dann hinter einer dicken Kastanie ins Gras gelegt. Wenige Meter links von ihm befand sich die gemauerte Einfriedung des Turms. Über dem Zugang brannte eine trübe, von Insekten umschwirrte Lampe.
Obwohl bereits dunkel, würde man so sofort jede Bewegung im Gesichtsfeld wahrnehmen, zumal auch der Lichtschein, der von der nahen Uferstraße einfiel, genügend Helligkeit bot.
Nicht die Kühle, die vom Boden her durch Markowitschs Kleider drang, war es, die in ihm ein permanentes Beben verursachte und kalten Schweiß in die Achselhöhlen trieb, sondern Furcht und Aufregung wegen des Bevorstehenden. Er kämpfte dagegen an, sagte sich immer wieder, Risiken und missliche Folgen gründlich bedacht und ausgeschaltet zu haben. Aber nur langsam kam er zur Ruhe.
Zäh rannen die Minuten.
Dann, weniges nach 22 Uhr, klappte irgendwo vor ihm entfernt ein Autoschlag. Der Motorenlärm auf der Uferstraße hatte nachgelassen.
Es näherten sich Schritte.
Markowitschs Herz schlug heftig.
Sie kam über den kleinen freien Platz auf den Turm zu.
Schon wollte der Mann sich erheben, als sie stehen blieb, in ihrer Handtasche nestelte und sich eine Zigarette anzündete.
Eine Sekunde lang wurde Markowitsch bewusst, dass sie während der ersten Begegnung nicht geraucht hatte.
Der Schein des Feuerzeugs erhellte ihr Gesicht.
Kein Zweifel, sie war es!
Sie trug eine Baskenmütze und eigenartigerweise einen weiten, dunklen Mantel, fünfundzwanzig Grad, heute. Und noch hat sich die Luft nicht abgekühlt’, dachte Markowitsch, und er wunderte sich, dass ihm dieses im Augenblick höchster Anspannung auffiel.
Zögernd ging die Frau weiter auf den Turm zu.
,Jetzt!’, befahl sich der Mann. Er trat aus seinem – Versteck, befand sich mit wenigen raschen Schritten in ihrer Laufrichtung. Er nahm wahr, dass das Licht der Torlampe die Frau erfasst hatte. Da zog er den Revolver und schoss, einmal, zweimal, in schneller Folge.
Mit einem Wehlaut stürzte die Frau.
Plötzlich von hinten Geräusche, ein greller, blendender Scheinwerfer flammte auf und der schrille Befehl einer Frauenstimme hallte: „Waffe weg!“ Gleichzeitig fühlte der zu Tode überraschte Markowitsch Kaltes, Hartes an seinem Hals, und mit einem kräftigen Hieb wurde ihm der Revolver aus der Hand geschlagen.
Er spürte zwei Gestalten neben sich, die Arme wurden ihm nach hinten gerissen, Handschellen klickten.
Dann erst eilte jemand auf die am Boden Liegende zu, die sich träge aufrichtete. „Mein lieber Mann“, sagte sie und wischte sich über Augen und Gesicht.
„Geht’s dir gut?“, fragte die andere und half Sandra auf die Beine. „Ich dachte nicht, dass der sofort schießt! Verdammt, das hätte schief gehen können.“
Sandra Georgius klopfte den Mantel, dann streifte sie ihn ab, knüpfte die schusssichere Weste auf und zog diese aus. „Ganz schön warm“, bemerkte sie und betrachtete das Stück. „Viel höher hätte er nicht halten dürfen“, stellte sie fest und deutete auf die beiden Einschusslöcher.
„Mensch“, sagte Constanze van Haarden, und sie umarmte Sandra, „ich hätte mich nicht darauf einlassen dürfen.“
„Anders hätten wir ihn nicht gekriegt. Selbst wenn ihm der Diebstahl nicht bewiesen werden kann, der Mordversuch reicht.“
„Er hat keine größere Geldsumme dabei“, meldete ein Polizist.
„Er hatte also nie die Absicht, zu zahlen, wollte sofort die vermeintliche Erpresserin aus der Welt schaffen. Professionell ist das nicht. Er hätte mit einer Falle rechnen müssen.“ Van Haarden hob die Schultern. „Wir haben ihn, du lebst, Gott sei Dank, jetzt also ran an die Mumie. Den Abzweig, von dem aus es zu dieser Waldhütte des Hauser geht, kennen wir ja nun. Auch das hätte ein Profi kalkulieren müssen, dass euer
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