Begegnung im Schatten
und natürlich dazu, schon im ureigensten Interesse, ihre Zustimmung zu erlangen. Denn Hausers Pläne gewaltsam durchzusetzen, hielt er für ausgeschlossen.
Ramlundt konnte Dr. Lauring überzeugen, dass er als künftiger Betreuer zunächst allein mit Lissi reden wollte.
Er betrat das Glashaus, trat nur wenige Schritte hinein und rief: „Lissi, Stephan ist hier. Ich muss dringend mit dir sprechen.“
Nichts.
„Lissi?“
Er schritt weiter, klopfte an die Tür des Wohnbereiches, rief – keine Reaktion.
Schließlich fand er die Gesuchte auf einer Matte liegend im Garten. Wenige Meter vor ihr befand sich eine fast kreisrunde Anhäufung weißlicher Asche.
Eine Sekunde sah ihn Lissi mit ihren großen Augen an, dann ging ihr Blick wieder ins Unendliche.
Ramlundt setzte sich neben sie. Er blickte stumm in die erloschene Feuerstelle. Dann sagte er leise: „Es tut uns unendlich Leid, was geschehen ist, und wir fühlen mit dir. Auch wir kennen den Schmerz, wenn einer von uns fort geht.“
Stephan Ramlundt fühlte sich elend. Er spürte die Plattheit seiner Worte und hatte außerdem Furcht, völlig ins Leere zu sprechen.
„Leider komme ich mit einer schlechten Nachricht, die uns alle, insbesondere aber dich betrifft. Bist du bereit, mich anzuhören?“
Lissi reagierte zunächst nicht. Dann kam langsam ihr Blick zurück. Abermals schaute sie ihn an, dann stand sie auf und ging ins Haus.
Schwankend, was zu tun sei, überlegte Ramlundt. Bevor er jedoch einen Entschluss fassen konnte, kam Lissi zurück, unterm Arm ihr Notebook.
Stephan Ramlundt frohlockte innerlich. ,Sie redet mit mir!’ Lissi schrieb: „Guten Abend, Stephan. Ich bin bereit, dich anzuhören.“
„Wir beide, du und ich, müssen wahrscheinlich verreisen. Dein Leben wird dadurch etwas unbequemer, es wird kein großes Bassin geben.“
„Warum müssen wir verreisen? Hier ist Grit…“, sie wies, als sie das schrieb, auf den Aschekreis. „Hier will ich bleiben, eine Weile wenigstens noch.“
„Wir kommen zurück.“
„Warum müssen wir verreisen? Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
„Böse Menschen vertreiben…“
Lissi hob die Hände und unterbrach ihn gleichsam. Dann schrieb sie: „Willst du mir eines eurer Märchen erzählen, dass du diese Sprache wählst?“
Stephan Ramlundt biss sich auf die Unterlippe. „Entschuldige“, bat er, und er entschloss sich zu völliger Offenheit, ob es Hauser passen würde oder nicht. „Euer Vorfahre, aus dem ihr entstanden seid, ist Diebesgut. Du weißt, was das ist?“
„Ich weiß es.“
„Es hat den Anschein, als sei das jemandem bekannt geworden. Wenn dieser die Polizei alarmiert, verändert sich unser aller Leben. Insbesondere für dich wird es schrecklich. Sie werden dich fotografieren, herumreichen, untersuchen.“
„Die Polizei?“
„Nein. In deren Gefolge die Medienleute: Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen…“
„Ich weiß, ich habe von solchem gelesen. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber ich akzeptiere. Ich habe auch gelesen, dass jedermann eine Würde hat. Ich nicht?“
„Sensationslust macht davor nicht halt. Sensationslust und Profit. Das erste Foto von dir ist Hunderttausende wert.“
„Mache du es, und wir verschwinden trotzdem.“ Lissi malte hinter ihren Text einen lachenden Mund, damit andeutend, dass es ein Scherz sein sollte.
Ramlundt lachte, wurde aber sogleich wieder ernst. „Sie würden uns hetzen; wir hätten keine ruhige Minute mehr. Bislang weiß außer uns fünf Menschen niemand, dass du existierst. Und es wäre gut, wenn das so bliebe – in deinem Interesse.“
„Und in eurem!“
„Auch.“
„Existiert mein Vorfahre aus dem Shuttle noch?“
„Ja.“
„Vernichtet ihn und alle seine Spuren!“
Stephan Ramlundt schaute überrascht, überrascht vom Wechsel des Themas, insbesondere aber von der Aussage.
„Warum?“, fragte er.
„Weil ich nicht will, dass weitere meiner Art entstehen.“
„Es gibt noch einen zweiten Raumfahrer von euch.“
Pause.
„Das habt ihr mir nicht gesagt, aber ich weiß es.“
Ramlundt ging auf den Vorwurf nicht ein. „Er ist offiziell bekannt. Experimentiert wird mit ihm nicht, noch nicht.“
„Versprichst du mir, alles zu tun, damit das niemals geschehen wird?“
„Darauf habe ich keinen Einfluss.“
„Verschaffe ihn dir, und versprich es mir.“
„Ich will darauf hinwirken.“
„Ich vertraue dir. Wann müssten wir reisen, wenn wir reisen?“
„Noch in dieser Nacht.“
„Gut, dann geh
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