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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an den Schultern rüttelte. »Aufstehen!« schrie ihm eine Stimme ins Ohr. »Besuch aus Deutschland.«
    »Wanduscha!« schrie Dimitri hell. Mit einem Satz war er aus dem Bett, stieß den Ingenieur zur Seite, rannte hinaus, sah den Jeep vor der Verwaltungsbaracke stehen, und dann wiederholte sich die nächtliche Szene von drei Tagen vorher, er warf die Arme hoch und brüllte in die Nachtstille hinein und stolperte durch den Sand, und Arbadja ließ ihn vorbeilaufen und ging ihm aus dem Weg, als er ihm im Flur begegnete. »Wanduscha!« stöhnte Dimitri, als er die Tür aufriß. »Ich habe gebetet … zum erstenmal im Leben habe ich gebetet … und du bist da! Du bist da! O mein Gott!«
    Vor dem Haus hielt Arbadja den Ingenieur fest, der Dimitri folgen wollte. »Laß sie jetzt allein, Herr«, sagte er. »Das Glück der Liebenden ist ein Geschenk Allahs und gehört nur ihnen allein.«
    »Ihr habt für alles einen Spruch«, meinte der Ingenieur und lächelte sauer. »Aber ich will nur in die Telefonzentrale. Erlaubt das mein Wüstenfuchs?«
    Achmed Arbadja zog die Lippen hoch. Sein weißes Gebiß leuchtete aus dem staubigen Gesicht. Er gab keine Antwort, aber er ließ den Ingenieur los. Stolze Teufel sind sie alle, diese Weißen, dachte er. Aber was hilft's? Man muß mit ihnen leben.
    In Bône fluchte der Direktor nicht minder kräftig wie sein Ingenieur in der Sahara, als ihn das Telefon aus dem schönsten Morgenschlaf schreckte. Neben ihm lag eine dunkelhaarige Schöne, die trotz des Klingelns weiterschlief.
    »Was ist?« schrie der Direktor ungnädig. »Ain Taiba? Himmel noch mal, was soll das? Brennt ihr ab? Das wäre der einzige Grund, mich aus dem Schlaf zu holen.«
    Aber es zeigte sich, daß es auch noch einen anderen Grund gab. Mit immer größerer Verblüffung hörte er sich den Bericht aus der Wüste an und schabte sich dabei mit den Fingernägeln über die Brust.
    »Das hat es noch nicht gegeben!« sagte er ehrlich, als der Ingenieur in Ain Taiba schwieg. »Wie sieht das Weib denn aus?«
    Direktor Paul Servante war einen Tag später aus dem Urlaub gekommen, nachdem Bettina aus Bône verschwunden war. Er hatte auf seinem Schreibtisch nur die Berichte vorgefunden und Bettina eine ›hysterische Ziege‹ genannt. Zu Hause in Lyon hatte er eine liebende Gattin und drei Kinder, womit erklärt ist, daß die schwarzhaarige Schönheit in seinem Bett lediglich zur Wüstenverpflegung gehörte.
    »Hübsch ist sie auch noch?« rief Direktor Servante verblüfft. »Was man nicht alles erlebt! Natürlich, ich spreche heute morgen gleich mit Marseille. Wenn dieser Dimitri nach Hause will …«
    »Er hat einen Dreijahresvertrag unterschrieben«, sagte der Ingenieur in Ain Taiba. »Aber, ehrlich, wir sind froh, wenn er wieder geht. Er mag ein hervorragender Fachmann sein, aber für die Wüste ist er nichts. Wenn es möglich ist, lassen Sie ihn ziehen. Annullieren Sie den Vertrag.«
    Die Antwort aus Marseille kam schnell, und Direktor Servante in Bône freute sich darüber. Der Vertrag war ungültig, wenn Dimitri das Handgeld zurückzahlte, das er bekommen hatte.
    »Ich zahle jede Summe, wenn Dimitri zurück kann nach Deutschland«, sagte Bettina in Ain Taiba, als der Ingenieur die Nachricht überbrachte.
    »Wir sind ja keine Raubtiere«, antwortete der Ingenieur mit einem Anflug von Galanterie. »Und gerade wir Franzosen haben das größte Verständnis für die Liebe.«
    Es war lustig anzusehen, wie Bettina darauf rot wurde und zu Boden sah wie ein kleines, verliebtes Mädchen, und Dimitri umarmte den Ingenieur, was dieser gar nicht gern hatte, auf jeden Fall nicht von Dimitri.
    Von nun an ging es sehr schnell. Mit einem Lastwagen fuhren sie nach Fort Lallemand, und weder Bettina noch Dimitri blickten zurück, als sie Ain Taiba verlassen hatten und die einsamen Bohrtürme zwischen Wüste und glutendem Himmel wegschwammen. Sie wollten nicht zurücksehen. Einem Irrtum trauert man nicht nach. Was Ain Taiba aber für Dimitri bedeutet hatte, das sagte er keinem, weder Bettina noch seinem Ziehvater Kolka. Nie mehr sprach er über die kleine Oase. Nur zwei Narben an seinem Körper erinnerten ihn stumm an jenen Tag, an dem er durch die Gasse der Schlagenden gegangen war, hocherhobenen Hauptes wie ein Bär, der aufrecht stirbt, weil er der König Grusiniens ist.
    Hinter dem Lastwagen hüpfte der Jeep mit Achmed Arbadja am Steuer. Auch er hatte einen Triumph im Herzen. Nicht das verdiente Geld machte ihn fröhlich, sondern der Sieg über

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