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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Weißen. Er hatte Ain Taiba erreicht trotz Patrouillen, Hubschrauber und Bewachung. Er hatte die Wüste bezwungen, und Allah war sichtbar bei ihm gewesen.
    Welcher Mann kann da nicht stolz sein?
    Zwei Tage später landeten Dimitri und Bettina in Düsseldorf und verließen Hand in Hand das Flugzeug.
    Unten, an der Gangway, stand Karl Wolter, und er benahm sich wieder wie der alte Kolka Iwanowitsch Kabanow. Er winkte und rief und schrie auf russisch: »Willkommen, mein Söhnchen! Willkommen!« Aber er kam ihm nicht entgegen, sondern blieb stehen.
    Dagegen trat ein großer, schlanker, blonder Mann in der Uniform eines Bundeswehr-Oberleutnants an Dimitri heran und streckte ihm beide Hände entgegen. Und er schämte sich auch nicht, als Bettina sich von Dimitri löste und ihm weinend um den Hals fiel.
    »Ich freue mich, Dimitri«, sagte Wolfgang Wolter mit fester Stimme, »daß du zurückgekommen bist. Laß uns Freunde sein.«
    »Das wollen wir«, sagte Dimitri. »Die Welt ist so leer, wenn man keine Freunde hat. Ich habe es gesehen.«
    Und dann erst trat Karl Wolter heran, umarmte Dimitri und küßte ihn nach alter russischer Sitte dreimal auf jede Wange.
    »Christus sei mit dir!« sagte er wie ein alter Bauer.
    Und Dimitri antwortete ergriffen: »Er sei auch mit dir, Väterchen.«
    Die Flucht war zu Ende, das spürte er jetzt. Endgültig war sie nun vorbei. Er war wieder zu Hause.
    Denn die Heimat – Mütterchen Rußland – lebt in uns, Freunde. Es ist ganz unmöglich, von ihr wegzulaufen.
    *
    Ein Mensch wie Oberst Safon Kusmajewitsch Jassenskij kann einem den Glauben verleiden, der Mensch stammte aus der formenden Hand Gottes. Man kann höchstens annehmen, daß Gott, als er das Geschlecht der Jassenskijs schuf, denkbar schlechter Laune war.
    In der sowjetischen Botschaft hatte man noch nie solche Ausdrücke gehört, wie sie Jassenskij durch die Räume schrie, als man ihm meldete, daß Dimitri wohlbehalten zurück sei und man im MAD ziemlich spöttisch über die sowjetische Spionage in Deutschland sprach, die im Falle Wolter mehr als einen Tritt in den Hintern bekommen hatte.
    »Schluß damit!« schrie Jassenskij wie ein Paralytiker. »Schluß! Schluß! Es muß etwas geschehen! Ein Exempel muß statuiert werden! Jawohl, ein Exempel! Und ich will in lauwarmer Eulenscheiße ersticken, wenn es diesmal ein Mißerfolg wird!«
    Das war gut gebrüllt, aber es war auch ein unerfüllbarer Wunsch – denn wo bekam man soviel Eulen her, um Jassenskijs letzten Willen zu erfüllen? Das stille Lächeln seiner Umgebung aber verflog, als Jassenskij wirklich aktiv wurde und auf die Methoden der alten, seligen GRU zurückgriff.
    »Genossen!« sagte er zu seinem kleinen Stab, sah zum Fenster und blickte über den Rhein hinüber nach Bad Honnef. »Oberleutnant Wolter befindet sich auf einer Dienstfahrt entlang der Grenze der DDR. Er wird dabei auch einen Streifen berühren, der nicht vermint ist, was keiner im Westen weiß. Es ist der sogenannte Sickergraben, über den wir unsere Agenten einschleusen. Ich bin der Ansicht: Wenn jemand von Osten nach Westen kann, kann man auch von Westen nach Osten. Verstehen wir uns, Genossen?«
    Die um Jassenskij Stehenden nickten. Wer verstand das nicht? Nur war es ein Rückschritt, einen Menschen zu entführen, und dann noch auf so plumpe Art, wie es Jassenskij plante.
    Der Oberst schien die Gedanken zu erraten. Er lächelte böse, als er sich wieder der Karte der Grenzgebiete zwischen Hünfeld und Coburg zuwandte.
    »Natürlich ist es altmodisch«, sagte er. »Aber wir essen unseren Kascha auch schon seit tausend Jahren, und er schmeckt noch immer.«
    Man wundert sich immer wieder, wie leicht es ist, ein Verbrechen auszuführen, wenn man keinerlei Hemmungen hat und die Sicherheit der Menschen ausnutzt, in der sie sich wiegen. In dieser Hinsicht war Oberst Jassenskij eine Art Naturtalent, was er bei der Entwicklung eines Plans bewies, über den seine Untergebenen staunten, als habe man ihnen einen Blick in einen Mondkrater gewährt.
    »Es ist so einfach, Genossen«, bemerkte Jassenskij völlig richtig. »Man muß nur am richtigen Tage an der richtigen Stelle das Richtige tun. Oberleutnant Wolter fährt also, wie gesagt, seit gestern entlang der Grenze. In Hünfeld hat er begonnen. Sehen Sie, hier ist die wunde Stelle.« Jassenskij legte seinen tabakgebeizten Zeigefinger auf einen Punkt der Karte. Es war ein dichtes Waldgebiet, das auf westdeutscher Seite so belassen worden war, während auf Seiten

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