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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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längerem Schweigen. Er wußte, daß der eine der Arbeiter jetzt ein kleines Tonband anstellte, das er auf der Brust festgeschnallt trug. Unter der Mütze lag das empfindliche Mikrofon, das selbst ein schwaches Hüsteln deutlich aufnahm.
    »Borokin hält, was er einmal versprochen hat!« Der Russe lächelte. Wolter fuhr herum. Sein Mund zuckte. Nun war es kein Spiel mehr; unerträgliche Spannung und eine unbestimmte Angst überwältigten ihn.
    »Sie haben einen Brief von Bettina?« rief er.
    »Nicht einen Brief. Er kommt mit der nächsten Kurierpost. Aber ich habe ein Beweismaterial, das zwingend ist.« Borokin griff zur Aktentasche, löste die beiden Schnappschlösser und klappte den Deckel auf. Er ließ Wolter hineinsehen, und die Männer vom MAD und Verfassungsschutz – die beiden Anstreicher und der fleißige Straßenkehrer – ärgerten sich, nicht Hälse wie Giraffen zu haben.
    In der Tasche lagen drei Dinge: die Stewardeßmütze Bettinas (gefunden in der Erdhöhle oberhalb Tiflis, wir wissen es ja), ihr Paß (gefunden in der Flugkanzel) und ihr Unterhemd mit den eingestickten Initialen BW (ebenfalls gefunden in der Höhle). Wolfgang Wolter starrte diese drei Beweisstücke an, aber als er zugreifen wollte, klappte Borokin den Taschendeckel wieder zu.
    »Genügt es, Herr Oberleutnant?«
    »Wo ist Bettina jetzt?« fragte Wolter heiser vor Erregung. Borokin hob die Schultern. »Genau weiß ich es nicht. Ich vermute, in Moskau.«
    »Und was hat man mit ihr vor?«
    »Gar nichts. Sie lebt wie ein Pensionär. Ihre Lage wird nur kritisch, wenn Sie, mein Lieber, versagen.«
    »Was nennen Sie kritisch?«
    Borokin drückte die Aktentasche an sich, und sie nahmen den Spaziergang entlang des Rheinufers wieder auf. »Ich erinnere an den Fall Powers, lieber Oberleutnant. Powers, der U-2-Pilot, den wir vom Himmel holten. Er wurde zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Zugegeben, er wurde später ausgetauscht – aber das ist der zweite Akt. Zunächst wird man Ihre Schwester als Spionin verurteilen. Sie sind doch mit mir einer Meinung, daß Ihre Schwester in einem Schauprozeß alles aussagt, was nötig ist, um unsere Haltung zu rechtfertigen?« Borokin lächelte hart.
    Wolfgang Wolter nickte. »Ja«, antwortete er. Und er dachte gleichzeitig: Arme Betti. Mit Drogen werden sie dich willenlos machen, und du wirst herunterplappern wie ein Papagei, was man dir vorgesagt hat.
    »Sie wird nach Workuta kommen, nehme ich an, und es wird den Westen einen großen sowjetischen Agenten zum Austausch kosten. Vorausgesetzt, daß man Ihrer Schwester diese Bedeutung zumißt und sie nicht im Interesse der Politik einfach vergißt.« Borokin hob wie bedauernd die Schulter. »Politik ist ein bitteres Geschäft, ein eiskaltes Gewerbe, vergleichbar einem Gangstersyndikat; nur daß die Politiker freundlich lächeln, wortreich reden, vom Volk gewählt werden, und daß ihnen Applaus gezollt wird wie einem Zirkusclown, der einen Salto mit einem wassergefüllten Eimer gedreht hat.« Borokin blieb stehen, sein Sarkasmus war wie ein lähmendes Gift. »Ich nehme fast als sicher an, daß Ihre Schwester nicht den weltpolitischen Wert hat, daß sich Politiker ihretwegen die Köpfe zermartern. Es handelt sich um ein familiäres Problem, das nur Sie und ich lösen können. Wir verstehen uns, Herr Oberleutnant?«
    »Sehr genau, Herr Borokin.« Wolter sah über den schmutziggelben Rhein, dem auch die strahlende Sonne kein freundliches Gesicht verleihen konnte. »Wir werden weiter zusammenarbeiten. Nur kann das nicht immer so weitergehen. Wann habe ich meine Schwester ausgelöst?«
    »Wir haben Zeit, mein Lieber.« Borokin lächelte Wolter an. Wie Spott war es, wie ein Triumph über die Dummheit. »Moskau bestimmt, wann die Uhren anzuhalten sind. Daran müssen wir uns gewöhnen. Guten Tag!«
    Er drehte sich um und ging mit schnellen Schritten davon. Auf einem Parkplatz hinter dem Dombunker, das wußte Wolter, parkte sein Wagen. Ein unauffälliger VW mit einer normalen Bonner Nummer.
    Du Schwein, dachte Wolter und blieb steif am Rheinufer stehen. O du Schwein! Wie wäre meine Lage, wenn ich nicht die Rückendeckung meiner Vorgesetzten hätte? Wie verzweifelt würde ich sein, wenn ich allein stände, so allein wie Hunderte anderer Agenten, die sich einem Teufel wie Borokin ausgeliefert hatten. Wenn ich ein einsamer Mensch wäre, so wie Irene Brandes es war.
    Irene. Wolfgang Wolter atmetete tief auf und strich sich durch das blonde Haar. Einer der Arbeiter

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