Begegnung in Tiflis
als dieser mißmutig aufsah, gab er ihm eine schallende Ohrfeige. Agafonow klammerte sich am hölzernen Sitz fest und brüllte auf.
»Die Hölle über dich!« schrie er und zitterte vor Wut. »In Schweinejauche sollte man dich ertränken!«
Was half's? Ein Mensch kann nur bis zu einer gewissen Grenze schimpfen, dann wird er müde und gleichgültig und resigniert. Bei jedem ist das individuell verschieden; der eine gibt nach Minuten auf, der andere nach Stunden, Frauen – sie sind darin unglaublich zäher – brauchen Tage. Agafonow brauchte genau vier Stunden, bis er sich durch gütige Reden und wohlgezielte Ohrfeigen davon überzeugen ließ, daß es ein Akt der Klugheit sei, Kolka das Führen eines Fischerbootes beizubringen.
»Na also, Brüderchen«, sagte Kolka zufrieden, als Agafonow seufzend und mit geschwollenen Backen den Mastbaum aufrichtete und die Segelleinen spannte. »Ich wußte, daß wir gute Freunde werden. Man muß die Menschen nur von ihrem Glück überzeugen.«
»Anfassen!« knurrte Agafonow. »Die Segel da! Und zieh an der Leine, du Hund. Dann gleiten sie empor.«
Kolka zog, und das Segel knarrte den Mastbaum hinauf, beulte sich im Wind, blähte sich, und das Boot machte einen Ruck, der Kiel durchschnitt das Wasser, es rauschte um sie, die Küste glitt davon.
Sie fuhren. Sie segelten vor dem Wind her, der so richtig wehte, als blase Gott selbst die Backen auf.
»Hurra!« schrie Kolka, machte einen Luftsprung, umarmte Bettina und küßte sogar den sich wehrenden Agafonow auf die Wangen. »Wir fahren! Es geht in die Freiheit! In die Freiheit, Brüderchen!«
Agafonow, der Fischer, hockte sich an den Ruderbalken und lenkte das Boot hinaus aufs Meer. Bald war die Küste nur ein schmaler, kaum wahrnehmbarer Streifen am Horizont. Kolka Iwanowitsch Kabanow setzte sich neben Agafonow. Bettina lehnte am Mast und ließ den Wind durch ihre Haare wehen.
»Ich möchte dich nur warnen, Dummheiten zu machen, mein Herzchen«, sagte Kolka und sah Agafonow mahnend an. »Ich weiß, daß in der Nähe der persischen Grenze und auch bei Len-Koran sowjetische Kanonenboote kreuzen und die Küste bewachen. Es wäre dumm, Brüderchen, wenn du sie anfährst. Erstens werfe ich dich rechtzeitig über Bord, zweitens macht es mir gar nichts aus, mich und mein Töchterchen selbst zu versenken, denn das Leben ist doch nur ein Hauch, sagt der Philosoph. Sei also brav, Herzchen, und fahre hinaus aufs Meer, ziehe einen großen Bogen und segle zur persischen Küste.«
Und so geschah es. Was blieb dem armen Daniel Alexandrowitsch anderes übrig? Wer den Teufel an Bord hat, muß auch Schwefel riechen können.
Aber er rächte sich. Auf ganz legale Art geschah das: bei der Ausbildung des alten Kolka zum Seemann.
Da war es nicht damit getan, daß Kolka nur an den Leinen zog, die Agafonow ihm angab – o nein, er mußte den Mastbaum hinauf, wie ein Seekadett. Er mußte Segel raffen und Taue spannen. Er mußte gegen den Wind segeln und blitzschnell die Rahen umwerfen, wenn der Wind drohte, das Boot in die Wellen zu drücken. Und die ganze Zeit über stand Agafonow unten am Mast und schrie mit satanischer Wonne:
»Schneller, Freundchen, schneller! Ein Windstoß ist wie ein Furz, man kann ihn nicht aufhalten! Und wenn einem die Zähne klappern … es weht daher! Schneller, zum Teufel! Wie lahm er ist, wie lahm! Aber eine große Fresse hat er, und ohrfeigen kann er! Nie wird das ein Seemann! Nie!«
Erschöpft, durchweicht, mit bebenden Knien kam dann Kolka an Deck zurück, spuckte Agafonow an und legte sich auf den Rücken wie ein kranker Hund. Bettina massierte ihn, gab ihm Tee mit Wodka zu trinken und lachte doch dabei. Denn trotz aller Qual: Sie kamen weiter, segelten flott über das Meer. Und wenn es so weiterging, waren sie in fünf Tagen in Sicherheit.
Die Nächte waren ruhig und schön. Agafonow warf einen Treibanker – daß es so etwas gab, erfuhr Kolka auch erst jetzt. Bettina kochte auf einem Spirituskocher das Abendessen; meistens Suppe aus fertigen Gemüsedosen, die Agafonow mit saurer Miene aß, denn ein echter Fischer hat keinen Geschmack an Dingen, die nicht aus dem Meer stammen. Dann trank man Tee, Wodka oder den berühmten grusinischen Kognak ›Jubileiny XX‹, von dem Kolka in weiser Voraussicht fünf Flaschen mitgenommen hatte.
Nach drei Tagen hatte sich Agafonow daran gewöhnt, Mitglied der Familie Kabanow zu sein. Er holte aus einem Holzkasten eine alte, verbeulte Handharmonika hervor, und dann spielte und
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