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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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entfernt von Beirut. Und auch Nasser in Ägypten war ruhiger geworden. Ab 22 Uhr übernahm eine Telefonistin die Wache in der Nachrichtenzentrale der Handelsmission, und der Stenograf hatte eine Verabredung mit einer libanesischen Schönen.
    »Vom Hotel ›Arab‹ komme ich ja«, sagte Dimitri und lächelte schwach.
    »Bitte! Warum haben Sie den Chef nicht dort angesprochen?«
    »Ich habe den Saal nicht betreten. Wir stehen unter Kontrolle. Ich kann doch nicht in einem Hotelsaal um Asyl bitten. Ich bin Dimitri Sergejewitsch Sotowskij. Ingenieur des Ölkombinats in Tiflis.«
    »Angenehm. Heinrich Friedrich Schmitz.« Der Stenograf sah an die Stuckdecke der Halle. Was soll ich mit ihm, dachte er. Warum kommt er auch um eine solch dumme Zeit und will flüchten?
    »Können Sie Ihren Vorgesetzten nicht anrufen?« fragte Dimitri.
    »Unmöglich! Warum denn?«
    »Ein Mensch sucht Schutz.«
    »Deswegen können wir doch nicht einen Empfang des Friedensnobelpreisträgers stören!«
    »Das stimmt.« Dimitri starrte auf den Boden. Er kam sich armselig vor, wie ein Bettler, der um einen Teller Suppe bettelt und dem man eine Tasse voll heißen Wassers gibt. »Wann sind denn die Herren da?«
    »Die einzelnen Abteilungsleiter kommen gegen neun Uhr morgens. Das Sekretariat ist zwar früher da … aber die können ja nicht entscheiden.«
    »Danke.« Dimitri erhob sich. Trotz der lauen Nacht fröstelte ihn. »Können Sie mir eine Taxe besorgen?«
    »Aber ja.«
    Zehn Minuten später verließ Dimitri die deutsche Handelsmission in Beirut. Er warf sich in den Wagen, sah zurück, hob die Schultern und beugte sich zu dem Fahrer vor.
    »Ambassadeur américain«, sagte er in holprigem Französisch. Der Fahrer nickte und raste los. In Beirut hatten die Autos anscheinend keinen ersten und zweiten Gang.
    Die amerikanische Botschaft war auch nur schwach besetzt, auch ihr Botschafter war im Hotel ›Arab‹ und machte die Honneurs für Ralph Bunche. Aber der Militärattaché war noch anwesend, in Galauniform, und arbeitete einige Meldungen aus Washington auf, die gerade per Fernschreiber gekommen waren. Man sah, daß er es eilig hatte, denn im Hotel ›Arab‹ wartete Maud auf ihn, die Tochter eines englischen Bankiers.
    Verwundert starrte Major Hawkins auf den großen, eleganten Mann im Smoking, der in sein Zimmer geführt wurde und sich als Dimitri Sotowskij vorstellte.
    »Was kann ich für Sie tun, Mister Sotowskij?« fragte er.
    »Ich spreche kein Englisch«, antwortete Dimitri. »Können Sie Deutsch?«
    »Ein wenig.«
    »Sehr schön.« Dimitri richtete sich auf, straffte den Oberkörper, als wolle er eine Meldung machen. »Ich bitte um politisches Asyl. Ich gehöre zu einer Gruppe sowjetischer Ölfachleute aus Tiflis und möchte im Westen bleiben.«
    »Das ist wieder einmal ein dicker Hund, der ausgerechnet zur falschen Zeit an die Laterne pißt!« sagte Major Hawkins in bestem Texanisch. Dimitri verstand gar nichts; er lächelte, weil er glaubte, es sei etwas Gutes.
    »Ich bin vor dem Empfang geflüchtet«, sagte Dimitri. »Ich habe alles zurückgelassen. Sogar der Smoking ist geliehen.«

»Und nun wollen Sie in die USA?« Hawkins setzte sich, schob ein Päckchen Zigaretten über den Tisch und lehnte sich zurück. Good night, liebe Maud, dachte er. Dieser Russe kostet uns fünf Stunden Zärtlichkeit. Und gerade heute bin ich so gut in Form.
    »Ich will nach Deutschland«, sagte Dimitri glücklich.
    Major Hawkins atmete auf. »Da sind Sie hier falsch, Mister Sotowskij. Hier ist die US-Botschaft. Sie müssen zur deutschen Handelsmission gehen.«
    »Da komme ich her.«
    »Und?«
    »Sie sind alle im Hotel ›Arab‹. Vor morgen neun Uhr …«
    »Und Sie haben es eilig?«
    »Ich werde überwacht.«
    »Sind Sie eine berühmte sowjetische Persönlichkeit?« Major Hawkins überflog rasch die Namen der russischen Personen, die in den Listen der Prominenten verzeichnet waren. Soviel er sich erinnern konnte, war ein Sotowskij nicht genannt. »Sind Sie ein großer Wissenschaftler?«
    »Nein. Ein kleiner Ingenieur.«
    »Sie werden politisch verfolgt?«
    »Nein. Ich habe eine gute Stellung in Tiflis.«
    Major Hawkins zuckte nervös mit den Schultern. »Sie sind Antikommunist?«
    »Nein! Ich bin ein guter Kommunist. Ich habe sogar ein Parteidiplom.«
    »Und warum wollen Sie dann in den Westen?«
    »Ich liebe ein deutsches Mädchen.«
    »O Jammer!« Major Hawkins kratzte sich den Haaransatz. Ein schmalziger Liebesroman in natürlicher Größe, abends um 21

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