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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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er also richtig vermutet, als sie sich vor wenigen Minuten beinahe verplappert hatte. Dabei machte ihn die Traurigkeit in ihren Augen bei diesen Worten mindestens ebenso betroffen wie die Nachricht als solche. Eine abgrundtiefe Leere breitete sich in ihm aus. Fast war dem Kapitän, als wäre ihm das Herz aus der Brust gerissen worden. Und plötzlich hatte er das beklemmende Gefühl, etwas Wichtiges verloren zu haben.
    Er w usste, er sollte jetzt irgendetwas sagen, brachte jedoch kein Wort heraus.
    „ Glotz nicht so. Es ist noch lange nichts zu sehen. Und selbstverständlich musst du mir dazu nicht gratulieren“, murmelte sie gelangweilt und winkte ab.
    Er versuchte es erneut, aber seine Stimme war nur ein raues Krächzen. „Also dann … Weiß es Ossi etwa noch gar nicht?
    „Ich vermute, es würde ihn in seinem jetzigen Zustand nicht allzu sehr interessieren. Oder überhaupt nicht, was weiß ich? Momentan könnte ich ein Teil des Straßenbelages da draußen sein, so groß ist die Beachtung, die er mir schenkt.“
    „Er wird sich darüber freuen. Über ein Kind. Auf jeden Fall. Du musst es ihm so schnell wie möglich sagen.“
    „Ich muss gar nichts!“
    „Und dann wird er aufhören …“
    „Ach, halt die Klappe, Clausing! Dieses Gesülze bringt doch nichts!“, unterbrach sie ihn ungehalten. „Da, nimm! Dein Tee ist fertig. Von mir aus soll er daran ersticken! Und du am besten gleich mit, da ihr doch so unzertrennlich seid.“ Ohne ihn anzublicken, drückte sie ihm das Tablett mit dem Teegeschirr in die Hand und ging ins Wohnzimmer.
    W enig später kam der Kapitän aus der oberen Etage zurück, sein Jackett in der Hand. „Er schläft jetzt sicher friedlich bis morgen. Es tut ihm leid und er möchte sich entschuldigen.“
    „Aber natürlich. Wenn ich es nicht jeden Tag hören würde, könnte ich glatt vergessen , dass dieser Zustand nicht unbedingt normal ist.“
    Unschlüssig stand Clausing im Esszimmer und wusste darauf nichts zu sagen. Sie hatte ja Recht. Wie lange wohl würde Ossi nüchtern bleiben? Und wie lange würde ihm sein Verhalten leidtun? Bis zum nächsten Abend vielleicht. Oder bis zur nächsten Nacht, dem nächsten Albtraum. Er selber hatte lange genug mit ihm unter einem Dach gelebt, um von seinen Dämonen zu wissen.
    Sus anne wich seinem prüfenden Blick aus und machte sich daran, mit gespielter Geschäftigkeit das Besteck neben dem goldumrandeten Teller neu zu ordnen. Dabei hätte sie ihm das Geschirr am liebsten an den Kopf geknallt.
    „Nun setz dich schon.“ Mit einer unwirschen Geste deutete sie auf den am weitesten entfernt stehenden Stuhl. „Nachdem der Tisch einmal für zwei gedeckt ist, sollten wir wenigstens so tun, als hätten wir etwas zu feiern.“
    „Ich danke dir.“
    Wie selbstverständlich nahm er die Flasche Champagner aus dem Kühler und öffnete sie mit einer flinken Handbewegung. Er achtete nicht auf Susannes fragenden Blick, sondern füllte ihr Glas mit der ihm eigenen Selbstsicherheit. Beinahe gewaltsam musste sie ihre Augen von Clausings geschmeidigen Bewegungen losreißen. Nur hatte er leider einen vollkommenen Körper, weshalb es schwer war, ihn zu ignorieren. Mit seinem perfekt gemeißelten Gesicht hätte er auch ein Gott sein können.
    Es war unmöglich , ihn zu ignorieren! Und sie hasste den Kapitän dafür.
    Hastig griff sie nach einem Kanapee, das sie sich neben ein mit Kaviar gefülltes Ei und eine Lachsschnitte packte.
    „Fährt die ‚Heinrich’ noch unter deinem Kommando?“, mümmelte sie mit vollem Mund und mühte sich redlich, nicht in seine Richtung zu schauen.
    „Selbstverständlich. Diese alte Schüssel nimmt mir bis ans Ende ihrer Tage niemand mehr weg. Allerdings liegt sie im Moment in der Werft.“
    „Deswegen bist du also hier und belästigst friedliche Bürger?“
    Clausing blinzelte entwaffnend unschuldig mit seinen blauen Augen und prostete ihr zu. „Auf dein Wohl und das eures Ungeborenen. Ich wünsche dir den Segen des Himmels und Sonnenschein auf deinem Weg, viele Freunde, die dich lieben, und Freude bei der Arbeit und beim Spiel, Lachen, das die Sorgen überwiegt, ein Lied in deinem Herzen und Glück an jeder Ecke deines Lebens!“
    Suse versetzte es einen schmerzhaften Stich, weil sie i n seiner Stimme jenen whiskeyweichen Klang herauszuhören glaubte, der dem von Adrian so sehr ähnelte. In einem seiner seltenen redseligen Momente hatte er einmal scherzhaft behauptet, dass dieser Tonfall das Erbe des alten Irlands mit seinen
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