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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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die Hand vor den Mund, um den Kaviar nicht in hohem Bogen über den gesamten Tisch zu verteilen.
    „Gestatte mir eine Frage, Kaptein. Reden wir in gerade diesem Augenblick – jetzt und hier – von dem gleichen Mann? Das hat Adrian Ossmann zu dir gesagt? Unser kleiner Ossi? Der frühere Koch der ‚Heinrich’? Er hat dir irgendetwas von Liebe erzählt, die er für mich empfindet?“
    D er beißend spöttische Ton, in dem sie ihm diese Worte entgegen schleuderte, schockierte Clausing dermaßen, dass er sie anstarrte, als hätte er eine Erscheinung.
    „Ich befürchte nämlich, dass ihm dieses Wort völlig fremd ist. Meine Güte, wie kommst du auf die Idee, er würde mich lieben? Ist es Liebe, wenn man sich permanent aus dem Weg geht und nicht mal zum Essen an einem Tisch sitzt? Wenn man nicht miteinander redet oder seine Freizeit lieber alleine verbringt? Aber wahrscheinlich weißt du es auch nicht besser als er, schließlich warst ja du sein Lehrer, was Frauen betrifft. Nur zur Erinnerung: Liebe ist chaotisch und unkalkulierbar. Und sie macht verletzlich – Eigenschaften, die Adrian auf den Tod nicht ausstehen kann und auf die er sich deswegen unter keinen Umständen einlassen würde. Waren es nicht deine eigenen Worte, dass er sich der Liebe – wenn überhaupt – höchstens mit einem dicken Schutzanzug, vorsichtig und argwöhnisch wie einer tickenden Bombe, nähert? Er will nicht lieben. Oder nennst du es Liebe, wenn zwei Menschen nicht mehr als eine Wohnung miteinander teilen“, sie griff mit einer hastigen Bewegung nach ihrem Glas und leerte es in einem Zug, „und manchmal, wenn die Hormone überschießen, das Bett?“
    Bedächtig schüttelte Matthias den Kopf. Es konnte nicht sein, dass Suse so abfällig über ihre Beziehung zu Ossi dachte. Glaubte sie allen Ernstes, sie würde ihrem Mann nichts bedeuten? Dabei war sie mit Sicherheit die Erste, die nicht bloß seinen Körper berührt hatte, sondern seine Seele. Und das wusste er, so wahr ihm Gott helfe, ganz genau!
    „Es heißt zwar immer, die Liebe sei für die Jugend gemacht, aber manchmal frage ich mich, ob sie nicht eine viel zu heikle Angelegenheit ist, um an die Jugend ver schwendet zu werden. Vielleicht weiß man die Liebe erst wirklich zu schätzen, wenn man ein wenig älter ist und ein Gefühl für Vergänglichkeit entwickelt hat, wenn man in größeren Dimensionen denken kann und erfahren hat, wie schnell etwas vorbei sein, wie einfach man etwas verlieren kann. Ihr beide habt es erlebt, Suse, ihr habt den Untergang der ‚Fritz Stoltz‘ überlebt. Du weißt genauso gut wie ich, was du Ossi bedeutest. Du und dieses Kind. Ihr seid seine Zukunft.“
    Mit zusammengekniffenen Augen kramte er in seinem Gedächtnis. Aber hatte Ossi ihm gegenüber jemals seine Gefühle für Suse erwähnt? Was sie betraf, war er noch wortkarger als üblich gewesen. Und trotzdem …
    „ Auch wenn er nicht ausdrücklich von Liebe redete …“
    „ Gott sei Dank.“ Sie tat erleichtert, als fiele ihr ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, und stieß langsam die angehaltene Luft aus. „Ich wollte schon sauer werden, weil er dir Dinge anvertraut, die selbst ich von ihm noch nie gehört habe.“
    „ Männer stellen sich nun mal total dusslig an, wenn es darum geht, Empfindungen in Worte zu packen.“
    Das traf zwar nicht auf ihn zu, also fuhr er sich über die Stirn, um seine Verlegenheit zu überspielen, und gab halblaut seine Meinung über diese anderen Männer zum Besten, eine längere Tirade, die mit „dämlich“ begann und „Idioten“ endete, gewürzt mit diversen, wenig schmeichelhaften Ausdrücken, die nicht für Suses Ohren bestimmt waren.
    „ Tatsache ist, dass wir uns wesentlich sicherer fühlen, wenn wir einfach handeln können, ohne erst großartige Erklärungen abgeben zu müssen. Und das hat Ossi doch getan, oder? Wozu habe ich Augen im Kopf, Suse? Ich habe gesehen, wie er sich verändert hat, seit er dich kennt.“
    „Klar, früher hat er sich nicht jeden Tag sinnlos betrunken.“
    Der kleine Teufel, der bislang in ihr noch nicht aktiviert war, heizte jetzt mit einer kräftigen Schaufel Kohlen die Glut zu einem mächtigen Feuer an. „Früher hat Adrian nicht ausschließlich seine Arbeit im Kopf gehabt, sondern wenigstens ab und an mit Freunden zusammengesessen. Früher haben wir manchmal sogar miteinander geredet und lachen können.“
    „Das meinte ich nicht!“, erklang Clausings scharfe Stimme, in der jetzt unüberhörbar Verdruss mitschwang.
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