Begegnungen (Das Kleeblatt)
vergangenen fünfzehn Jahre kein einziges Mal für erforderlich gehalten, mir eine solche Warnung mit auf den Weg zu geben.“
Ihnen beiden war klar, dass, zog sich eine Entführung über Monate hin, dem Opfer der psychogene Tod drohte. Angel war stark, dennoch bestand die reale Gefahr, dass er sich irgendwann aufgab. Sie kannten Männer, die hatten es keine drei Monate durchgehalten. Dazu kam, dass Angels Frau einen anderen geheiratet hatte. Den eigenen Freund!
„Du pokerst hoch, Frithjof.“
„ Ich dachte …“
„ Wie immer das Richtige“, beendete Adrian Frithjofs Satz. „Natürlich ist es meine Sache.“
„ Und jetzt sag mir, wie du dich fühlst.“
Als hätte er einen Schalter umgelegt, überzog ein spöttisches Grinsen Adrians eben noch ernstes Gesicht. „Auf einer Skala von ein bis zehn – eins ist ‚alles in Ordnung‘ und zehn steht für ‚bin total durch den Wind‘ – findest du mich heute bei siebenundzwanzig.“
E r streckte die Beine weit von sich und legte lässig einen Fuß über den anderen. Dann gähnte er ungeniert und sah ganz einfach unglaublich gelangweilt aus.
„Was soll dieses Schmierentheater, Frithjof? Du wusstest die Antwort auf deine Frage doch schon, noch bevor du sie überhaupt gestellt hast. Etwas anderes, als auf Nummer Sicher zu gehen, hast du dir nie geleistet. Warum verrätst du mir also nicht, was die Ärzte von mir und meinem Zustand halten?“
„Du bist clean, ja.“
„Und nun? Genügt das nicht? Was willst du noch? Hol mich jetzt endlich hier raus. Du rettest mein Leben.“
„Das liegt in deiner Hand.“
„Na schön“, murrte Adrian und seine Stimme verriet die Begeisterung eines zum Tode Verurteilten, „was muss ich tun, damit ihr mich ein für alle Mal in Frieden lasst?“
Frithjof spürte den Widerwillen seines Freundes. Wenngleich Adrians körperliche Stärke beeindruckte, psychisch war er noch lange nicht bereit für einen solchen Auftrag. Doch die Gnadenfrist, die man ihm großzügig eingeräumt hatte, um gesund zu werden, war abgelaufen. Sie hatten bereits erstaunlich viel Geduld mit ihm bewiesen.
Sie wussten um seinen Wert.
„Du wirst Angel finden und dort rausholen. Und wenn dein Auftrag erledigt ist, kannst du dich wieder um dein Liebesleben kümmern. Ich glaube kaum, dass ich dir noch einmal zu lesen geben muss, was du unterschrieben hast.“
„Ich könnte dir Wort für Wort herbeten, was in diesem verdammten Papier steht.“
„Ich weiß.“
1 2. Kapitel
„Ja, bitte?“
Der junge Mann wich so abrupt zurück, dass ihm die rabenschwarzen, bis auf die Schultern fallenden Haare um das schmale Gesicht flogen. Er spürte seinen Puls in den Schläfen hämmern und wurde totenbleich. Zu mehr als einem schwachen Lächeln war er nicht mehr fähig, während er um seine Fassung rang und den lang aufgeschossenen Mann vor sich misstrauisch musterte. Seine Miene erstarrte zu Eis, als er auf dem blütenweißen Oberhemd die blauen Schulterstücke mit den vier Streifen bemerkte.
„Ich wollte … i ch … ich bin Alain Germeaux und eigentlich möchte ich zu Suse … Susanne Reichelt. Wohnt sie nicht mehr hier?“
Seine nachtblauen Augen suchten vergeblich nach einem Namensschild neben der Klingel.
„Oh, aber natürlich. Kommen Sie herein.“ Der Hüne beugte sich ein Stück nach vorne und ließ seinen Blick nach rechts und links den Flur entlang schweifen. „In diesem Haus ist es ziemlich gefährlich, vor der Wohnungstür zu reden“, bemerkte er lakonisch. „Suse könnte ein Lied davon singen.“
Er trat zur Seite und str eckte seinen Arm einladend aus. „Hier leben ganz einfach die falschen Mieter. Ob ich das jemals lernen werde? Sie haben ihre Augen und Ohren überall, selbst wenn man sie nicht sehen kann. Matthias Clausing.“ Er hielt dem Franzosen die Hand zur Begrüßung entgegen, nachdem er die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte. „Und nein, Sie haben sich keineswegs verlaufen. Selbstverständlich wohnen die beiden hier, Suse und Ossi, meine ich. Allerdings …“
Der Kapitän nahm Alain Germeaux den Mantel ab. Dann schob er ihn in das geräumige Wohnzimmer und deutete auf die Sitzecke. „Nehmen Sie Platz.“
Er murmelte eine kaum ernst gemeinte Entschuldigung und wies dabei auf das Durcheinander, welches er auf dem Wohnzimmertisch angerichtet hatte. „Tut mir leid, dass ich mich hier so ausgebreitet habe. Es ist nicht so, dass es in dieser Wohnung kein Arbeitszimmer gäbe, aber ich brüte gerade über ein paar
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