Begegnungen (Das Kleeblatt)
„bedauerlicherweise ist er noch nicht von der Arbeit zurück.“
Skeptisch verdrehte die Fregatte mit dem blaustichigen Haar die Augen und zog die aufgemalten Brauen in die Höhe. „Ach, er ar-bei-tet?“ Und dabei betonte sie das letzte Wort derart unverschämt, dass Susanne vor Empörung um Luft ringen musste.
„Klar doch“, stie ß sie atemlos hervor. „Ich hoff’, es stört S’e nich, ordinäre Proletarier als Nachbarn zu ha’m.“ Mit dem Ellenbogen voran drängte sie zu ihrer Wohnungstür. „Sie gestatten?“, knurrte sie zornrot im Gesicht und schnappte mit den Zähnen nach dem Zipfel einer Tüte, die sich klammheimlich aus dem Staub machen wollte. „Bin schwer beschäftigt.“
Obwohl die Begegnung mit ihrer Nachbarin Suses Euphorie kurzzeitig gedämpft hatte, machte sie sich mit Feuereifer daran, ein romantisches Candle-Light-Diner für Adrian und sich vorzubereiten. Sicherlich würde er sich angesichts der Mühe, die sie sich damit gab, ein paar Minuten Zeit für sie nehmen und, wenn er selbst schon nichts essen wollte, sich wenigstens zu ihr setzen und ihr Gesellschaft leisten.
Sie hielt inne und wischte sich seufzend mit dem Ärmel über die Stirn. Wenn sie sich recht erinnerte, hatten sie vor drei Wochen das letzte Mal gemeinsam gegessen. Damals hatte er ihr eröffnet , künftig zusätzliche Schichten am Wochenende zu übernehmen, da eine Köchin ausgefallen war – Oh, Ironie des Schicksals! – ausgerechnet wegen Schwangerschaft. Sie hatte ihre Enttäuschung darüber nicht länger zurückgehalten und nach einem heftigen verbalen Schlagabtausch hatte er sein Bettzeug nach nebenan in eines der Gästezimmer getragen.
Inzwischen schlief er zwar wieder in ihrem gemeinsamen Bett, aber wenngleich er als Koch praktisch an der Quelle saß, schien er sich am wenigsten um sein eigenes Essen zu kümmern. Entsetzt, indes absolut machtlos musste Susanne mit ansehen, wie er immer magerer wurde.
Bitte, Adrian, nur fünf poplige Minuten! So lange wirst du meine Gegenwart doch wohl ertragen können.
Sie hoffte, wirklich bloß ein paar Minuten zu benötigen, um ihn von den Vorzügen eines Wochenendausfluges zu überzeugen. Und dann musste sie endlich ihre Schwangerschaft zur Sprache bringen.
Zufrieden mit dem vorbereiteten Essen, das ihr ausnahmsweise gut gelungen schien, und voller Zuversicht schloss sie die Wohnungstür hinter sich. Es war schon dunkel, als sie ihren Kleinwagen startete und in Richtung Innenstadt lenkte.
Eine halbe Stunde war vergangen, seit sie das Auto in der Kastanienallee vor dem Hotel geparkt hatte. Seitdem trommelten ihre Finger ohne Unterlass auf das Lenkrad und verrieten ihre zunehmende Nervosität und Ungeduld. Sie hatte eben erst auf die Zeitanzeige im Display des Armaturenbretts gesehen, trotzdem warf sie einen erneuten Blick darauf. Als könnte sie damit Adrian veranlassen, endlich seine Arbeit zu beenden! Du machst dich vollkommen zum Narren! schimpfte sie und stellte hastig das Autoradio ab.
Wieder viel zu laut! Dass sie das nie lernte!
Nein, verdammt, sie wollte Musik hören! revoltierte sie. Und es war ihr vollkommen gleich, ob es Adrian störte oder nicht! Von plötzlicher Wut gepackt, drehte sie den Lautstärkeregler bis zum Anschlag auf und hielt sich mit einem hysterischen Lachen die Ohren zu.
Wie imme r, wenn sie an dem Hotel vorbeikam, bewunderte sie die futuristische Architektur und die riesige Glasfront, in der sich bei Tag der üppige Park mit seinen exotischen Pflanzen und Springbrunnen spiegelte. Allein die protzige, von Scheinwerfern hell erleuchtete Fassade ließ den Pomp erahnen, der die Gäste im Inneren erwartete. Zu dem wechselnden Spiel der Fontänen erklang gedämpfte Musik, zu der wiederum passend sich die Farben der Scheinwerfer änderten, die das Wasser vom Boden aus anstrahlten.
Sus anne ließ sich von dem friedlichen Bild des Wasserspiels gefangen nehmen. Wie gerne würde sie sich das Hotel auch einmal aus der Nähe betrachten. Im Foyer und in den Fluren sollte es eine bemerkenswerte Bildergalerie geben, von der ihr Freunde vorgeschwärmt hatten und die sie sich unbedingt ansehen wollte.
Also hatte sie sich nicht das Geringste dabei gedacht, eines Tages diesen Wunsch laut vor Adrian zu äußern. Seine Reaktion dagegen traf sie völlig unerwartet und schmerzhaft wie ein Schuss aus dem Hinterhalt. Mit scharfen Worten hatte er sich verbeten, dass sie in seinem Beisein das Haus betrat, in dem er arbeitete. Er duldete es ja nicht
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