Begegnungen Januar (German Edition)
Schultern.
„Na dann. Raus mit dir! Ich komm zu spät.“
„Du bist zu spät... mal wieder.“, blökte der Typ hinter der
Bar, begrüßte Bastian aber dennoch freudestrahlend mit einem
festen Handschlag. „Hast deine Freundin mitgebracht, häh?“
Er wandte sich ihr zu. „Was hat ein so nettes und hübsches
Mädel wie du nur an so einem Kerl gefunden? Tja, die Liebe.
Rätselhaft, egal ob man zwanzig oder fünfzig ist.“
Bastian sah sie entschuldigend an und wurde rot.
„Das ist Mira. Sie ist heute erst nach Berlin gezogen....
wenn du verstehst...“
Der Mann sah sie freudestrahlend an und legte ihr seine Hand
auf die Schulter. „Dann ist es ja noch nicht zu spät für
dich, Mädel. Willkommen in der Stadt, in der die Träume
sterben und neue geboren werden!“
Bastian zog sie fort und setzte sie ans hintere Ende der
Theke.
„Ignorier ihn. Er ist alt und hat keine Ahnung von was er
spricht. Aber er ist in Ordnung und er zahlt pünktlich.
Also... was willst du?“
Sie überlegte kurz. „Kannst du mir was ohne Alkohol machen?“
„Kein Problem, die Dame. Kommt sofort.“
Und er mixte ihr ein riesiges Glas voller farbenfroher
Säfte, steckte ein Schirmchen hinein und überreichte es ihr
mit einer gekonnten Verbeugung.
„Für die Dame, Mylady!“
Sie grinste und trank. Und es war gar nicht mal so übel.
Wenn das Berlin war, farbenfrohe Cocktails und mehr als
hilfsbereite Nachbarn, dann konnte sie gut damit leben. Und
sie vermisste Henrik nur noch ein ganz kleines bisschen.
Oder?
Doch zum Vermissen blieb nicht viel Zeit. Gelegentlich kam
Bastian herüber und sie wechselten ein paar Worte, oder der
Punk neben ihr versuchte ihr lautstark und lallend zu
erklären, warum die ganze Welt zugrunde ging. Sie sah, dass
ihr Beschützer bereit war, sofort einzuspringen, aber sie
zwinkerte ihm zu und schüttelte kaum merklich den Kopf. Der
war doch harmlos, betrunken vielleicht, aber harmlos. Sein
Angebot, mit ihm auf die Toilette zu gehen, lehnte sie aber
dankend und mit einem höflichen Lächeln ab. Soweit war sie
noch nicht. Der Punk, der sich ihr als Wolle vorgestellt
hatte, schien es ihr nicht übel zu nehmen. Er zuckte nur mit
den Schultern und versuchte sein Glück bei einer anderen
armen Seele.
Mira war es zufrieden, nur die Leute um sie herum zu
beobachten und dachte sich kleine Geschichten aus, wer sie
waren und was sie heute Abend hierher getrieben hatte. Wolle
war ganz offensichtlich auf der Jagd, aber er war nicht der
Einzige. Auch ein älterer Mittfünfziger machte seine Runden
durch den Raum, legte von Zeit zu Zeit sein Goldkettchen
zurecht und schien wahllos von einem Weibe zum anderen zu
treiben. Sie nannte ihn Armin, weil er mit seinem schütteren
und offensichtlich gefärbten Haar und seinem geblümten Hemd
einfach wie ein Armin aussah. Mira schüttelte den Kopf.
Armin stellte sich aber auch wirklich ungeschickt an oder
aber hatte eine viel zu hohe Meinung von seinem Charme. Er
bestellte einer Runde von ziemlich jungen kichernden Mädchen
eine Runde Bier, obwohl doch jeder mit Augen im Kopf sehen
konnte, dass nie im Leben eine von ihnen mit ihm nach Hause
gehen würde. Sie sah sich ein wenig um.
Da saß... Brigitte? Sie war definitiv über Vierzig, allein
und fühlte sich sichtlich unwohl hier. Frisch geschieden?
Zum ersten Mal allein unterwegs, weil all ihre Freundinnen
zu Hause bei Mann und Kindern saßen? Brigitte würde wohl
nicht so wählerisch sein. Wenn Armin heute Nacht eine Chance
gehabt hätte, dann wohl mit ihr.
Die Mädchengruppe verließ lachend die Bar, zog wohl weiter
auf ihrem Weg durch die Stadt und ließ Armin mit
überraschtem Gesichtsausdruck zurück. Ja, beinahe sah er
verletzt aus. Dann trafen seine kleinen Hundeäuglein auf
Mira und der Funken von Hoffnung kehrte darin zurück.
Schnell wandte sie ihren Blick ab, aber es war zu spät. Er
hatte ihr vermeintliches Interesse bemerkt und Blut geleckt.
„Na, so allein hier?“
Es war nicht gerade der Anmachspruch des Jahrhunderts.
„Hallo Armin!“
Er schaute verwirrt.
„Wer?“
„Oh, tut mir leid. Es ist so dunkel hier und ich dachte, du
wärst mein Onkel Armin.“, log sie.
Aber er gab nicht auf.
„Ich kann sein, wer auch immer du willst, meine Schöne!“
Sie tippte nachdenklich auf ihr Glas, schaute ihm dann fest
in die Augen und hob an: „Armin!“
„Rolf.“, unterbrach er sie.
„Wie auch immer, Armin-Rolf. Wir beide wissen, dass es kein
Szenario gibt, in dem ich oder
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