Begehrter Feind
nirgends mehr ein blauer Faden zu sehen war. Sie musste gähnen und hielt sich die Hand vor den Mund. Einen Moment später kam Ewan in den Laden gestapft, seinen Spielzeugritter unterm Arm. Kurz vor der Tür zog er sich die Kapuze über den Kopf.
»Sir Smug freut sich, dass er auch mitdarf. Er sagt, drinnen ist es langweilig, und er will Abenteuer.«
Gisela setzte ihre Kapuze auf und unterdrückte ein Kichern. »Na, dann kommt mal, ihr zwei kleinen Krieger!« Sie zupfte Ewans Kapuze weiter nach vorn, dann öffnete sie die Tür, und sie traten auf die Straße hinaus. Gisela schloss hinter ihnen ab.
Staub und Steine stoben beim Gehen unter ihnen auf. Hunde liefen in schmale Seitengassen, um nach Abfällen zu suchen, während ein paar Kinder in ein ausgedachtes Spiel mit Kieseln vertieft waren. Ewan blickte sehnsüchtig in ihre Richtung und wäre fast gestolpert.
Gisela strebte mit großen Schritten der Ladenstraße des Dorfes zu, wohin der köstliche Duft frischen Brotes sie lockte.
»Mama, du gehst zu schnell!«
Sie nahm Ewan an die Hand und zog ihn mit, als er an einem kleinen Holzstapel stehen blieb, um ihn sich anzusehen. Ein paar Häuser weiter, vorbei an einigen Leuten, die ebenfalls sehr früh zum Einkaufen unterwegs waren, befand sich ein Laden, der von einem sehr freundlichen Ehepaar betrieben wurde. Hier kaufte Gisela häufig Garn und Knöpfe, und die Besitzer hatten ihr sogar schon manche Kunden geschickt.
Das Fenster vorn war offen, wie Gisela erleichtert feststellte.
Ewans Finger zappelten in ihren. Wie leicht er sich ablenken ließ! »Mama …«
»Jetzt nicht, Ewan.«
Sie schritt an zwei Männern vorbei, die Pasteten aßen. Gewiss hatten sie sie gerade beim Bäcker gekauft.
»Mama!«
Seine Stimme klang verzweifelt, deshalb sah Gisela zu ihm. Ewan blickte ängstlich zu ihr und dann hinter sich, presste seinen Stoffritter fester an die Brust und drängte sich dicht an Gisela.
Diese Reaktion kannte sie sehr gut.
Sie schaute sich um und entdeckte Crenardieu, der gerade die beiden plaudernden Männer passierte. Sein Umhang berührte fast den Boden. Er sah erst sie an, dann Ewan.
Sofort wurde Gisela unbehaglich. Die Art, wie er ihren Sohn ansah, war fast … lüstern.
Sie drehte sich zu dem Franzosen und zog Ewan ganz nah zu sich, der sich ausnahmsweise nicht dagegen wehrte.
Crenardieu lächelte.
»Bonjour.«
»Guten Morgen.« Sie nickte höflich und wollte weitergehen, aber er stellte sich ihr in den Weg.
Ihr wurde zusehends unheimlich. Andere Leute auf der Straße beobachteten sie. Wahrscheinlich waren es Crenardieus Schergen.
Lass ihn nicht merken, dass du Angst hast!,
ermahnte sie sich und reckte das Kinn.
Finde heraus, was er will, und geh so schnell wie möglich weiter!
Leider entging Crenardieu wohl nicht, dass ihr nicht wohl war, denn er lächelte noch schmieriger. »Ich würde gern mit dir sprechen. Hast du einen Moment Zeit?«
Nein!,
schrie es in ihr. Aber sie durfte ihn nicht schroff abweisen, denn sie brauchte sein Geld. »Ja«, antwortete sie lächelnd.
Seine Hand berührte ihren Ellbogen, worauf ihr kalte Schauer über den Rücken liefen, und er führte sie ein Stück zur Seite, neben ein leeres Geschäft, dessen kaputtes Fenster mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Gisela erinnerte sich, dass hier der Töpfer gearbeitet hatte, in dessen Laden unlängst eingebrochen worden war. Nachdem seine gesamten Waren ruiniert worden waren, schloss er das Geschäft und verließ Clovebury.
Nun klaffte hinter dem Fenster nur ein dunkler leerer Raum.
»Sehr schön.« Sein Mund lächelte, aber seine Augen blickten eisig. »Ich wollte dich später noch besuchen, denn ich hätte nicht erwartet, dich zu sehen, wie du durchs Dorf spazierst.«
Wieder fiel sein Blick auf Ewan. Gisela schob den Kleinen hinter sich, außer Sicht des Franzosen, bevor sie entgegnete: »Wir müssen nur ein paar Besorgungen machen.«
Crenardieu nickte. »Wie kommst du mit meinem Auftrag voran?«
»Das Kleid ist beinahe fertig, und beide Gewänder werden nächste Woche zur Abholung bereit sein wie vereinbart.«
Crenardieu wurde ernst. »Ach, aber leider brauche ich sie in zwei Tagen.«
Gisela war es unmöglich, ihren Schrecken zu verbergen. »Was?«
»Ich hole alles vor Morgengrauen bei dir ab, zusammen mit der übrigen Seide.
Oui?«
Ihre Gedanken überschlugen sich, während sie nach einer Antwort suchte.
»Eine bedauerliche Änderung im Plan, zugegeben, doch so ist es.«
Gisela hatte alle Mühe,
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