Begehrter Feind
euch.«
Sie wollte ja leugnen, aber vor lauter Angst kam ihr keine Silbe über die Lippen.
»Enttäusche mich nicht!«, warnte der Franzose sie und wandte sich ab. »Zwei Tage,
Gisela!«
Kapitel 9
D er Duft von getrocknetem Gras stieg Dominic in die Nase. Ahh! Er lag auf einer Sommerwiese. Die Halme kitzelten seine Wange, während die warme Brise über seinen Leib strich und die Luft vom Summen der Insekten erfüllt war. Teufel noch mal, er war trunken vor Wonne …
Das Summen wurde lauter, und etwas landete auf seinem Arm. Das piekste.
»Autsch!« Dominic riss den Kopf hoch. Sogleich verschwamm die Wiese, und ein unbarmherziger Schmerz durchfuhr seine Stirn, als hätte man ihm ein Brett dagegen geschmettert. Stöhnend fiel er zurück auf den Boden.
Nein, das war nicht der Boden.
Er öffnete vorsichtig die Augen, während seine benommenen Sinne allmählich wieder erwachten. Er lag in dem kleinen schäbigen Zimmer in der Stubborn Mule Tavern. Eine Mücke, die nun durch die undichten Läden verschwand, hatte ihn eben in den Unterarm gestochen. Dominic lag flach auf dem Bauch, seinen edlen Mantel zu einem Behelfskissen geknüllt, die Hände in den modrigen Strohsack auf der Pritsche gedrückt. Er lag da wie ein Trunkenbold, der nach einer Nacht übermäßigen Biergenusses einfach ins Bett gefallen war.
Dominic stöhnte, denn sein Magen revoltierte schon gegen die kleinste Bewegung. Bei Gott, er
war
ein Trunkenbold!
Betrunken wie brandygetränkter Kuchen.
Sein Mageninhalt indessen fühlte sich eher wie geronnener Vanillepudding an.
Er stöhnte erneut und stemmte die Hände flach gegen den Pritschenrahmen. Das Gestell knarzte, als er sich vorsichtig aufsetzte. In seinem benebelten Kopf tauchten allmählich Bilder des gestrigen Abends wieder auf. Wie viele Gläser hatte er Crenardieu spendiert? Sieben? Zehn? Der widerliche Franzose, der jedes Mal ein schmieriges Grinsen aufgesetzt hatte, wenn die Bedienung an ihnen vorbeigekommen war, trank wie ein zerlöcherter Krug, ohne auch nur einen Anflug von Trunkenheit zu zeigen. Noch dazu hatte er Dominic überhaupt keine nützlichen Informationen gegeben. Das war furchtbar enttäuschend, wo doch der einzige Sinn und Zweck der gewesen war, ihm die Zunge zu lösen und Einzelheiten zu entlocken.
Vor allem über Gisela.
Gisela.
Dominic musste trotz allem lächeln. Wie sehr er sich danach sehnte, sie wiederzusehen! Er
musste
sie sehen! Das schmerzliche Verlangen nach ihr wurde stets umso größer, wenn er zu viel getrunken und im Geiste durchgespielt hatte, was hätte sein können.
Der Grund dafür, weshalb er sich vorstellte, in einer Wiese zu liegen, war zweifellos auch sie.
Dominic wischte einen Strohhalm fort, der ihm vor den Augen baumelte, und strich sich über die zerknautschte Tunika. Sobald er wieder auf den Beinen war, würde er zu Gisela gehen. Ja, das war ein ausgezeichneter Plan – der beste, den er gefasst hatte, seit … egal.
Er rieb sich die pochenden Schläfen und wappnete sich dafür, aufzustehen. Er würde zu ihr gehen, Schritt für Schritt, einen Stiefel vor den anderen setzend. Das war nicht schwer.
Mit einem leicht verunglückten Schwung erhob er sich, torkelte drei Schritte zur Seite und stolperte fast über seine Satteltasche. Nur knapp verfehlte er den Tintentopf und die Feder auf dem Boden, die er nicht weggeräumt hatte, nachdem er eine kurze Nachricht an Geoffrey geschrieben hatte. Dominic fand das Gleichgewicht wieder. Ein Rülpser formte sich tief in seinem Bauch, der gewiss die Dachbalken der Taverne zum Einsturz brächte, sollte er ihn nicht unterdrücken können. Heiliger! Vielleicht musste Gisela ihm neue Verbände anlegen.
Hmm. Kein unerfreulicher Gedanke.
Allein bei der Vorstellung, dass ihre warmen, sanften Hände sich …
Benimm dich, Dominic!
Er holte tief Luft, so dass sich die Leinenverbände um seinen Brustkorb spannten und kitzelten. Nachdem er sich das Gesicht gerieben hatte, versuchte er, sein Haar zu glätten, das sich wie ein heilloses Durcheinander anfühlte. Seit Geoffreys und Lady Elizabeths Hochzeitsfeier war er nicht mehr in einem solchen Zustand gewesen – und die war lange her!
Er straffte die Schultern und fixierte die Tür, auf die er zuging.
Poch, poch,
machten seine Stiefel.
Gurgel, gurgel,
antwortete sein Bauch. Wenigstens bewegte er sich vorwärts, wenngleich nicht in einer geraden Linie.
Er trat hinaus auf den schattigen Korridor, schaffte es bis zur knarrenden Treppe – um die schlafenden
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