Begierde
»Da bist du sicher viel herumgekommen. Aber wird man da auch gut bezahlt?«
Ein stummes Kopfschütteln war die Antwort.
»Na also. Und arbeitslos bist du auch gerade. Ich habe jedenfalls keine Lust, mir über Geld Sorgen zu machen oder irgendwann auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Ich möchte reich heiraten und versorgt sein. Ehrlich, ich finde das Angebot fair. Außerdem – wenn es nicht gut geht, kann ich mich immer noch scheiden lassen.«
Vicky senkte den Kopf. Gegen soviel Überzeugung kam sie nicht an. Sie würde wohl ihre Meinung ab sofort besser für sich behalten. Was bedeutete es schon, dass Anna Fotos von attraktiven Männern im besten Alter gesehen hatte. Fälschen konnte man alles, um einen guten Eindruck zu machen. Im Augenblick war es wichtig zu wissen, wo die Lücken im System waren, um den Tag ihrer Flucht zu planen. Das dumme Halsband würde sie nicht daran hindern. Wahrscheinlich war das sowieso nur ein Bluff. »Hm, na schön, und wie läuft das alles hier ab?«
»Das wirst du schon noch sehen. Auf jeden Fall rate ich dir, halte deinen Blick gesenkt, sei höflich und rede nur, wenn du dazu aufgefordert wirst. Hinterfrag nicht, was du tun sollst, sondern mach es einfach. Dann hast du die meisten Bedingungen schon erfüllt. In ein paar Wochen soll eine Inhouse-Party stattfinden, zu der die interessierten Kunden eingeladen werden. Da kann man sich dann gegenseitig beschnuppern und ein wenig kennenlernen und dann wirst du verkauft. Irgendjemand muss ja schließlich für deine Erziehung bezahlen. Umsonst ist nichts. Und wenn sich mehr als einer für dich interessiert, dann wirst du unter denen höchst bietend versteigert.«
»Eine Versteigerung?«, ächzte Vicky erschrocken. »Also doch wie auf einem Vieh- oder Sklavenmarkt?«
Anna lachte laut. Ihre Augen blitzten übermütig. »Nein, so schlimm ist es nicht, denke ich. Aber mit Sicherheit sehr spannend. Also die Sache läuft so. Den Interessenten werden Fotos von uns gezeigt. Wenn dem Mann eine von uns gefällt, wird er eingeladen. Man plaudert und isst und tanzt miteinander. Ist nur ein Mann an dir interessiert, gibt es keine Probleme. Er reserviert sich seine Rechte an dir, wenn du ihm gefällst, bezahlt vorab, ihr unterschreibt beide einen Ehevertrag und am Ende der Ausbildung gehörst du ihm und hast ausgesorgt.«
Vickys Augen wurden immer größer. Widerwillen über diese Aussichten machten sich in ihr breit. »Und wenn mir der Kerl nicht gefällt? Wenn ich ihn widerlich finde?«
»Wir haben nicht mitzureden, da habe ich dir doch schon gesagt. Das steht im Vertrag. Hast du den etwa nicht aufmerksam gelesen?«, erwiderte Anna ernst und ein wenig ungeduldig. »Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass dich ein Mann nimmt, der merkt, dass du ihn nicht leiden kannst. So masochistisch veranlagt sind die normalerweise nicht. Schließlich sind die daran interessiert, mit dir Spaß und Sex zu haben und auch sonst ihr Leben zu teilen. Die wollen eine artige Frau, keine widerspenstige. Aber warum erzähle ich dir das überhaupt – du müsstest das doch alles wissen?«
Hoffnung regte sich in Vicky. Dann war die Sachlage ganz einfach. Sie würde sich jedem interessierten Mann gegenüber so unwillig und unverschämt verhalten, dass sie einfach keiner nehmen würde. Und dann würde man sie sicher vor die Tür setzen. Wenn sie erstmal hier raus war, würde sich schon eine Lösung finden. Trotzdem war sie empört, mehr als empört, wie gelassen und geradezu begeistert Anna über das Thema sprach. Hatte sie wirklich freiwillig allem zugestimmt oder behauptete sie dies nur aus reinem Selbstschutz? Oder steckte sie gar mit den Typen unter einer Decke und sollte Neuzugänge in Sicherheit wiegen?
»Die erste Party findet in einigen Wochen statt, du wirst schon sehen, dass die Männer wirklich ganz okay sind.« Ein erwartungsvolles Lächeln überzog Annas Lippen. Sie zuckte sichtbar zusammen, als Vicky aufsprang und herum schrie.
»Bist du übergeschnappt? Du lässt dich wie ein Stück Vieh verhökern? Ich nicht – ich habe nämlich nichts unterschrieben.«
Anna schüttelte den Kopf und klopfte mit der flachen Hand auf die Bettdecke als Zeichen, dass Vicky sich wieder setzen sollte. »Du missverstehst das völlig – dieser Weg garantiert mir ein Leben in Luxus.«
»Und dafür lässt du dich von dem Kerl vögeln, sooft er will?«
Annas Miene drückte Verständnislosigkeit aus. »Wieso, was ist denn daran so schlimm? Hast du etwa keine Lust auf
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