Beginenfeuer
zurück.
Die Verhandlungen zwischen der französischen Krone, den flandrischen Städten und dem Grafen waren erst im Mai dieses Jahres abgeschlossen worden. Philipp konnte es sich mittlerweile leisten, großzügig zu sein. Er verzieh Brügge und halbierte die Geldstrafe, die Flandern auferlegt worden war. Von den fünf Städten musste lediglich Brügge seine Festungswerke schleifen, und der Graf kehrte nach Hause zurück. Dort warfen ihm seine Untertanen allerdings mangelnde Vaterlandsliebe vor, sodass er sich in erster Linie mit Leliaerts umgab, wie die Flamen in Anspielung auf die königliche Lilie jene Edelmänner und Königstreuen nannten, die Frankreich dienten. Dass er nun mitten in diesem Wespennest den Beginen vom Weingarten nachspionieren sollte, gefiel Mathieu keineswegs. Er sah allerdings auch keinen Sinn darin, diesen Umstand groß zu diskutieren.
»Unsere Pferde brauchen die Rast, egal, ob es dir hier gefällt oder nicht, Jean«, sagte er schließlich.
Der Angesprochene sah sich mürrisch in der Wirtsstube des Gasthofes Zum Weißen Lamm um, der nur wenige Schritte von der Kirche entfernt lag. Bei ihrer Ankunft hatten sie kaum Platz gefunden. Unter der niedrigen Balkendecke debattierten Männer der verschiedensten Stände. Die meisten von ihnen waren freilich Blaunägel, wie man die Arbeiter nannte, die aus der importierten englischen Wolle jene Tuche webten, färbten und walkten, die von flämischen Händlern in alle Welt verkauft wurden. Kräftige Burschen mit breiten Schultern, die die fremden Ritter nicht aus den Augen ließen. »Siehst du, wie sie uns anstarren? Als hätten wir zwei Köpfe auf den Schultern«, knurrte Jean noch immer gereizt. »Zum Henker, bezähm dich!«
Jean Vernier liebte den Kampf und ging trotz seiner fünf Lebensjahrzehnte keiner Auseinandersetzung aus dem Weg. Der unwirsche Ton seines Herrn riss ihn aus dem verlockenden Traum von einer hübschen kleinen Prügelei, die es ihm ermöglicht hätte, seine schlechte Laune an ein paar flämischen Holzköpfen auszulassen. Widerwillig konzentrierte er seine Aufmerksamkeit stattdessen auf die dralle Magd, die sich zwischen den Webern und Färbern bis zum Ecktisch der beiden Männer hindurchzwängte.
»Eine Mahlzeit für die Herren?«, erkundigte sie sich geschäftig und wischte mit ihrer Schürze über die Bierflecken auf der Tischplatte. »Es gibt Kohlsuppe, gesottenen Hammel und frische Bratwürste. Besseres werdet Ihr nicht einmal in Brügge bekommen.«
Das Lächeln und die Verbeugung, die ein prall gefülltes Mieder zeigte, galten ausschließlich Mathieu. Trotz des schlichten Lederwamses erkannte sie in Haltung und Aussehen den französischen Edelmann.
»Bier und Hammel für uns beide«, antwortete jedoch Jean anstelle des Bewunderten und fügte leutselig hinzu: »Woher weißt du, dass wir nach Brügge unterwegs sind?«
»Wer aus Richtung Tournai oder Lille kommt, reist immer nach Brügge«, erwiderte das Mädchen keck. »Man könnte meinen, Flandern besteht nur noch aus Brügge. Bleibt in Kortrijk, und Ihr werdet sehen, dass auch wir eine gastfreundliche Stadt sind.«
Ein viel sagender Blick landete bei den letzten Worten wieder auf Mathieu. Als keine Antwort erfolgte, zuckte sie mit den Schultern und schlenderte mit provozierendem Hüftschwung davon.
»Sie sieht sauber und gesund aus, warum nimmst du dir nicht, was sich dir bietet, Jungchen?«
Nur Jean durfte es wagen, Mathieu in diesem Tone Jungchen zu nennen und solche Dinge zu fragen. Die Tatsache, dass er den Brüdern Andrieu die ersten Lektionen mit Schwert und Lanze erteilt hatte und dem Ältesten in die Verbannung gefolgt war, machte ihn zu einem väterlichen Freund, dessen Rat Mathieu gemeinhin achtete. Allerdings nicht in diesem Fall. »Kein Bedarf.«
»Was ist mit dir los? Du lehnst auch sonst jede Frau ab.«
»Zum Donner, Jean! Was geht’s dich an?«
»Viel, Jungchen. Ich habe den Andrieus gedient, seit ich denken kann. Es gefällt mir gar nicht, dass du keine Anstalten machst, für den nächsten Erben zu sorgen. Es wird langsam Zeit dafür.«
Mathieu knirschte mit den Zähnen. Der Lärm in der Wirtsstube übertönte es, aber sein Begleiter sah die Bewegung der Kinnmuskeln.
»Dein Bruder Simon hat Enthaltsamkeit geschworen, nicht du. Die Königin hat dir schon zu ihren Lebzeiten eine Jungfrau mit einem ertragreichen Lehen in der Champagne angeboten.«
»Ich will beides nicht.«
»Heißt das nicht den Stolz übertreiben?«
»Stolz ist das Einzige, was
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