Beginenfeuer
mir geblieben ist.« Die Magd kam zurück und stellte Holzbretter sowie volle Tonkrüge zwischen den schweigenden Männern ab. Saftige Scheiben Hammelbraten lagen auf von Soße triefendem Brot, und das Bier schwappte über den Rand. Sie hielt die offene Hand hin, um ihre Bezahlung einzufordern. Andrieu gab ihr französische Silberpfennige, worauf sie blitzartig verschwand, ohne das Wechselgeld herauszugeben.
Jean löste das Messer von seinem Gürtel und machte sich über den Braten her. Nach einer ganzen Weile griff er das Thema wieder auf. »Du weißt, dass Pfalzgraf Ottenin seine Tochter mit Philipps Zweitältestem Sohn verheiratet und ihr die Freigrafenschaft von Burgund zur Mitgift gegeben hat. Im Grunde hat er Tochter und Gebiet aus Geldmangel verkauft. Er war schon immer mehr an seinen Geschäften und an seinem guten Leben interessiert als an seinen Untertanen.«
»Du bist nicht müde geworden, es wieder und wieder zu erwähnen.« In Mathieus Stimme schwang gutmütiger Spott. »Warum wohl?« Jean fuchtelte mit dem Messer, als könne er auf diese Weise auch seine Argumente schärfen. »Der junge Philipp und Johanna von Burgund regieren das Herzogtum. Sie herrschen über ein Gebiet, das nun bis zu den helvetischen Bergen reicht, und die Grafschaft Andrieu liegt mitten drin. Du kennst den Prinzen. Es kostet dich nur ein Wort, damit er die Verbannung aufhebt. Du könntest nach Andrieu gehen und endlich dein Erbe beanspruchen.«
Er erhielt keine Antwort. Mathieu schwieg. Er war nicht bereit, dem Alten seine Gründe zu erklären. Andrieu war gleichbedeutend mit Mabelle. Die Älteste der drei Kinder des verstorbenen Grafen herrschte dort mit ihrem zweiten Gemahl. Ihr gekränkter Stolz hatte die ganze Familie ins Unglück gestürzt. Mathieu wollte nicht an Mabelle denken. Wenn er sich seiner Schwester entsann, dann begann es mit Zorn auf die eigene Dummheit und endete mit Verachtung für ihre Eigensucht. Unwichtige Gefühle, die nur Kraft kosteten und nichts bewirkten.
Um ihrer Ehre willen hatte Hugo von Andrieu das Gottesurteil gefordert. Ihretwegen hatte sein Vater sich dem verhängnisvollen Zweikampf mit Thomas von Courtenay gestellt. Der fünfundzwanzig Jahre Jüngere hatte das Duell für sich entschieden. Nach dem Tode seines Vaters hatte Pfalzgraf Ottenin die gekränkte Tochter der Andrieus in aller Eile mit Gaspard von Rochepot verheiratet und die vaterlosen, minderjährigen Brüder bis zu ihrer Mannbarkeit unter die Vormundschaft dieses Mannes gestellt.
Seine Schwester und seine Mutter hatten nur ein Ziel gekannt: den Vater und Ehemann zu rächen. Courtenay musste fallen, damit Graf Hugos Tod gesühnt wurde. Noch auf dem Sterbebett hatte die Gräfin ihren Söhnen den Schwur abgefordert, Courtenay zu vernichten. Er war achtzehn Jahre alt gewesen und sein Bruder Simon sechzehn, als sie sich stark genug fühlten, für die Familienehre in den Krieg zu ziehen. Angeführt von Mabelles Gemahl Gaspard, hatten sie eine Streitmacht in Bewegung gesetzt, um den Tod des Vaters zu vergelten. Keine Seele mit dem Namen Courtenay hatte das Massaker überlebt. Auch diese Bilder wollte Mathieu nicht von neuem heraufbeschwören, denn sie hatten nicht nur die Burg von Courtenay in Schutt und Asche gelegt, sondern auch ihr eigenes Leben zerstört. Gaspard von Rochepot war im Kampf tödlich verwundet worden. Simon hatte nach dem Gemetzel für immer das Schwert niedergelegt und war ins Kloster gegangen. Er selbst hatte die ganze Härte des fürstlichen Unwillens zu spüren bekommen. Pfalzgraf Ottenin hatte ihn aus Burgund verbannt und ihm sein Erbe genommen. Mabelle hingegen war es gelungen, Ottenin eine erfolgreiche Komödie der Ahnungslosigkeit vorzuspielen. Er hatte ihr geglaubt, dass sie weder von den Plänen des Gemahls noch von jenen ihrer Brüder gewusst hatte, und die weinende Witwe kurzerhand mit einem seiner Gefolgsleute verheiratet, dem er die Grafschaft Andrieu übertrug. Mathieu verspürte kein Bedürfnis, die einzige und unerfreuliche Begegnung zu wiederholen, die ihm danach mit der Schwester gewährt worden war.
»Du hast mehr Anrecht auf Andrieu als dieser Emporkömmling aus Savoyen, der sich mit Ottenins Hilfe dort eingenistet und Mabelle zum Weib genommen hat«, unterbrach Jean nun wieder seine Grübeleien.
»Ich will’s nicht«, beschied ihn Mathieu knapp. »Soll Mabelle damit glücklich werden, wenn sie es kann.«
»Kann es sein, dass du dich selbst für das bestrafst, was damals geschehen ist? Du tust auf
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