Beginenfeuer
nach Vienne bringt. Damit können wir unseren Bedarf befriedigen. Zudem beabsichtigen wir zu arbeiten. Es liegt uns beiden nicht, die Hände in den Schoß zu legen.«
»Euer Plan scheint festzustehen, Ihr habt ja schon an alles gedacht.«
Mit einem Ruck blieb er vor ihr stehen und legte seine ganze Autorität in die Waagschale.
»Mein Bruder hat mir die Sorge um Euch anvertraut. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr Eure absurden Vorsätze verwirklicht.«
»Ihr seid weder mein Vater noch mein Bruder oder mein Mann. Ihr besitzt keinerlei Befehlsgewalt über meine Person.«
»Bei Gott, man sollte Euch…«
Ihr Blick brachte Mathieu mitten im Satz zum Verstummen. Er erinnerte sich daran, dass Simon ihn gewarnt hatte, ihren Trotz durch Widerspruch zu wecken. Vor ihm stand nicht mehr die kleine Ysée, sondern Violante. Stolz und ohne eine Spur von Trauer hatte sie ihm ihren Entschluss mitgeteilt. »Entschuldigung, ich vergaß mich.«
»Werdet Ihr uns helfen?«
»Euch stehen alle Wege offen. Ihr seid eine Frau von Geblüt, und Eure Schönheit öffnet alle Herzen. Wie wäre es, wenn Ihr Euch an den Herzog von Burgund wendet? Seine Gemahlin wird Euch mit Freuden unter ihren Damen aufnehmen.«
»Der Herzog wird versuchen, mich zu vermählen. Aber ich will keinen Gemahl. Ihr wisst, warum.«
Sie sah, wie sich die grauen Augen verdüsterten. Unsichtbar und doch präsent stand Simons stille Gestalt zwischen ihnen. Wo würde er sich befinden? Nein, sie durfte nicht darüber nachsinnen. Sie musste versuchen, ihn zu vergessen. Es war sein Wunsch.
»Wollt Ihr einem Traum die Treue halten?« Es war kein Traum. Violante musste nur die Augen schließen, und schon spürte sie wieder seine Zärtlichkeit. Entschlossen verschränkte sie die Arme vor der Brust und hob das Kinn. Ihre Körperhaltung war eindeutig.
»Ein kleines Haus mit Garten und zwei Webstühle, mehr brauchen wir nicht.«
»Webstühle?«
»Eudora beherrscht die schwierige Kunst des Schleiertuchwebens. Sie wird mich anleiten. Vienne ist groß und wohlhabend genug. Der Bedarf an feinem Schleiertuch ist vorhanden.«
»Schleiertuch!« Mathieus Stimme kippte. »Womöglich wollt Ihr auch noch Flachs anbauen?«
»Das ist nicht nötig. Eudora hat in Erfahrung gebracht, dass die Händler ausreichend gesponnenes Garn in jeder Qualität liefern können. Im Hinterland von Vienne gibt es viele Bauern, die Flachs anbauen und verarbeiten. Wir benötigen nur ein wenig Geld für den Anfang.«
Mathieu rang erkennbar um Beherrschung. »Überlegt es Euch gut. Wenn ich die Stadt verlassen habe, ist niemand mehr da, der Euch beisteht, wenn Ihr in Schwierigkeiten geratet. Von der Kirche könnt Ihr keine Hilfe erwarten.« Sie ging nicht darauf ein, sondern zog ein Pergament aus der Tasche ihres grünen Wollgewandes und reichte es ihm. »Dies ist eine Vollmacht, die Eudora und ich gemeinsam unterzeichnet haben. Wenn Euer Bote sie der Meisterin des Hauses zum Turm bringt, wird sie ihm unseren Anteil des Beginenvermögens aushändigen. Es sollte bald geschehen, ehe die Kirche ihre gierige Hand danach ausstreckt.«
Mathieu begriff, dass ihr Entschluss unverrückbar feststand. Er resignierte.
»Ich werde versuchen, Eure Wünsche zu erfüllen, auch wenn es mir schwer fällt. Versprecht mir, dass Ihr vorsichtig seid. Ihr befindet Euch hier auf heißem Boden. Die Dominikaner haben überall ihre Spitzel. Achtet auf jedes Wort, besonders in geschlossenen Räumen. Sollte ein Dominikaner in Erfahrung bringen, dass Ihr Beginen seid, ist Euch die Inquisition sicher. Da Ihr fest an Gott glaubt, hoffe ich, dass er Euch beschützt. Wir sehen uns noch, Violante von Courtenay.« Sie erwiderte seine Worte mit einem schmerzlichen Lächeln und wandte sich zum Gehen.
Eudora murmelte einen Gruß, knickste hastig und mühte sich, ihrer Herrin zu folgen, die eilig davonstrebte. Als sie wenig später die Treppen zum großen Dom hinaufstiegen, protestierte sie jedoch gegen Violantes Ungestüm. »Ihr werdet all das Schleiertuch alleine weben müssen, wenn Ihr mich zuvor zu Tode hetzt.«
Violante sah das hochrote Gesicht, hörte die keuchenden Atemzüge und merkte, dass sie in ihrer Erregung gar nicht an Eudora gedacht hatte. »Verzeiht mir.«
»Ihr wart sehr mutig«, schnaufte Eudora kurzatmig. »Mein Gemahl hat mich geschlagen, wenn ich ihm widersprach.«
»Euer Gemahl hat Euch geschlagen?« Violante schluckte und merkte, dass sie nur sehr wenig von dem Leben wusste, das die andere geführt hatte, ehe sie
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