Beginenfeuer
unwillkürlich anlächeln. Noch nie war er einem so fürsorglichen, warmherzigen Menschen begegnet. »Das Schicksal hat es gut gemeint mit Violante, als sie Euch gefunden hat.«
Er verneigte sich respektvoll vor ihr.
Eudora knickste im Gegenzug und bekam hochrote Wangen. Schon im Weggehen, rief sie noch einmal über die Schulter: »Sagt Ihr nicht, dass wir miteinander gesprochen haben. Es würde ihr Vertrauen in mich erschüttern.«
»Habt Dank, Eudora.«
Tief in Gedanken schritt er zur Gartenpforte und bemerkte zu spät, dass sich sein Weg mit dem des Erzdiakons Pellegrue kreuzte. Zähneknirschend entbot er seinen Gruß. »Wie schön, dass ich Euch abseits des Zeremoniells treffe«, begann Pellegrue und verbarg die Hände in den weiten Ärmeln seines Gewandes. »Vermisst Ihr Euren Bruder? Mir geht es ähnlich. Simon war so etwas wie mein Gewissen. Sein Blick verriet mir jedes Mal, ob ihm meine Pläne missfielen. Er war der ehrlichste und vertrauenswürdigste Mensch in meiner Umgebung. Es fiel ihm schwer, Dinge auszuführen, die er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte. Ihr seid ihm ähnlicher, als ich dachte. Bringt Euch das nicht auch manchmal in Konflikt mit den Aufträgen Seiner Majestät?«
»Von Fall zu Fall…«
In einträchtigem Schweigen gingen sie nebeneinander den Weg entlang, bis sie an der Balustrade standen, die den Blick über die Stadt und den Fluss erlaubte. Die Kuppen der Berge verschwanden in den Wolken, und die alles überragende Festung auf dem Mont Pipet war nur zu erahnen. Ihr Burgherr war einer der Domherren von Vienne, das Château de la Bâtie auf dem daneben liegenden Mont Salomon gehörte dem Erzbischof von Vienne. Die geistlichen Herren dieser Stadt waren gleichzeitig Krieger.
»Sagt mir ehrlich«, wandte Pellegrue sich an ihn. »Beabsichtigt der König überhaupt, in Vienne zu erscheinen?«
»Ihr habt seine Briefe sicher gelesen.«
»Briefe!« Pellegrue verzog verächtlich den Mund. »Pergament ist geduldig. Niemand weiß das besser als ich. Welchen Sinn sieht Seine Majestät darin, dieses Konzil Monate für Monate in die Länge zu ziehen? Wird er das Weihnachtsfest mit uns feiern? Trifft er überhaupt noch eigene Entscheidungen, oder wird das Land längst von Nogaret und dem Finanzminister regiert?«
»Täuscht Euch nicht«, sagte Mathieu nach kurzem Zögern. »Dass Seine Majestät seine Ratgeber nach ihren Fähigkeiten und nicht nach ihrem blauen Blut aussucht, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Klugheit. Alle Edikte und Anordnungen tragen das Siegel seines Willens.«
»Und was wünscht der König noch von der Kirche? Der Heilige Vater hat in allem nachgegeben. Die Namen der hundertzwanzig Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte, die in diesem Konzil beraten, stehen auf der Liste des Königs und sind in erster Linie Franzosen.«
»Der König wird ohnehin nur Entscheidungen akzeptieren, die in seinem Sinne ausfallen.«
Das flüchtige Stirnrunzeln des Erzdiakons erregte Mathieus Argwohn.
»Gibt es Neuigkeiten?«
»Keine guten. Die Versammlung der kirchlichen Würdenträger hat beschlossen, die Schuldfrage der Templer müsse noch einmal überprüft werden. Der Ausschuss hält die vorliegenden Beweise für mangelhaft. Er verlangt dringend die ausführliche Anhörung der Beklagten.«
»Das wird der König nicht zulassen.«
»Das sehe ich auch so.« Pellegrue suchte seinen Blick. »Mir liegt daran, die Templerfrage zu einem Ende zu bringen. Seine Majestät hat keinen Zweifel daran gelassen, welche Entscheidung er von der Kirche erwartet. Der Papst fürchtet nun seine Reaktion. Er ist zwar bereit, dem Wunsch des Königs zu folgen, aber er benötigt das Einverständnis der Kurie dafür. Es müssen neue Beweise erbracht werden, die von den Prälaten anerkannt werden können.«
Mathieu verstand die Forderung hinter den Sätzen. Pellegrue regte die Gründung eines königlichen Gremiums an, das diese Beweise zutage fördern sollte. Er selbst konnte natürlich keinen solchen Vorschlag machen, und so bediente er sich Mathieus. Beiden war bewusst, dass Pellegrue Simon nicht uneigennützig geholfen hatte. Jetzt erwartete Pellegrue eine Gegenleistung.
»Ihr könnt Euch meiner Diskretion sicher sein, Eminenz«, versprach Mathieu bedächtig und überlegte fieberhaft, welche Zugeständnisse er machen durfte. »Die Nachricht, dass der König das Weihnachtsfest in Saint Denis feiern wird, habe ich vor ein paar Tagen erhalten. Er erwartet dort meinen Bericht. Verlasst Euch auf
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