Beginenfeuer
besorgt um Violante.« Das Nachtlicht verbarg Simons Züge und verlieh seinen Worten bestürzende Eindringlichkeit. »Sie ist mutig und stark, sie wird auch diese Trennung überwinden. Bleibe bei ihr, auch wenn du nicht verstehen kannst, warum wir diese Sünde begangen haben.« Die Dunkelheit verschluckte ihn, ehe Mathieu antworten konnte. Er sah ihm aufgewühlt nach.
Unruhig streifte er umher und landete bei Odysseus. Das Streitross begrüßte ihn mit leisem Schnauben. Er legte die Stirn an den warmen Pferdehals und haderte mit sich selbst. »Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen, mein Freund. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass er sich in die Fänge von Kardinälen und Erzdiakonen begibt.«
Der Schmerz um den neuerlichen Verlust seines Bruders ließ den Gedanken an Violante noch nicht aufkommen. Der Destrier schnupperte auf der Suche nach einem Leckerbissen am Wams seines Herrn.
Aber dieses Mal fand er weder einen Apfel noch ein Stück Rübe. Nur einen Mann, der in seiner Einsamkeit und Verzweiflung Trost suchte.
E INUNDZWANZIGSTES K APITEL
Abschied
B RUDER S IMON
Vienne, Abtei Saint-André-le-Bas, 21. Oktober 1311
Die fünf Mönche in der grauen Zisterzienserkutte sahen auf, als Simon das Gästehaus der Abtei betrat. Es verging eine Weile, bis einer von ihnen das Wort ergriff. »Wir suchen ein Leben in Abgeschiedenheit, unter harten äußerlichen Bedingungen, in der Verbindung von Arbeit und Gebet. Für uns ist das der einzige Weg, der zu Gott führt. Wenn Ihr diese Ziele teilt, so seid Ihr uns willkommen, Bruder.«
»Ich danke Euch, dass Ihr mich aufnehmt«, erwiderte Simon schlicht.
»Was hat Euch dazu bewogen, zum Leben eines einfachen Zisterzienserbruders zurückzukehren?«
Simon überlegte eine Weile. Offensichtlich hatte Pellegrue ihnen nicht viel erzählt. Es galt, die Wahrheit zu sagen, ohne zu viel zu sagen.
»Ein jeder von uns soll Gott so dienen, wie es seinen Fähigkeiten entspricht. Meine Talente reichen nicht aus, die Kirchenpolitik und die diplomatischen Bemühungen Seiner Heiligkeit zu fördern.« Der Zisterzienser akzeptierte die Antwort mit einem dünnen Lächeln. »Wir werden für Euch beten, dass Ihr die richtige Entscheidung getroffen habt, Bruder. Wenn wir uns auf den Weg machen, gibt es für Euch kein Zurück.«
»Dessen bin ich mir bewusst. Ich werde morgen mit Euch abreisen. Darf ich mich jetzt verabschieden, ein paar Dinge müssen noch erledigt werden.«
Würde es ihm vergönnt sein, Frieden zu finden? Den Glauben an die Kirche hatte er verloren, aber vielleicht gelang es ihm, im Gespräch mit Gott zur Ruhe zu kommen und zum rechten Glauben zurückzufinden. Auf einmal erfasste ihn eine tiefe Sehnsucht, diese genügsame Frömmigkeit wieder leben zu können. Nur in Fontenay hatte er sich Gott wirklich nahe gefühlt.
Sein Herz wurde schwer, wenn er an den Abschied von Violante dachte.
Als er in den Palast zurückkehrte, sah er Pater Étienne unruhig vor seiner Kammertür auf und ab laufen. Er stürzte sich förmlich auf ihn.
»Gott zum Gruße, Bruder. Ich muss Euch meinen Dank überbringen. Ich bin morgen zur Audienz beim Erzdiakon bestellt. Es ist wegen der Anstellung, nicht wahr? Wisst Ihr schon mehr darüber?«
Simon betrachtete den stämmigen Dominikaner, er glühte vor Ehrgeiz und sah sich schon mit Ehren überhäuft. Was war er doch für ein erbärmlicher Wicht.
»Es ist nicht meine Sache, dem Erzdiakon vorzugreifen«, sagte er ruhig. »Seine Eminenz wird Euch sagen, was Euch erwartet. Denkt daran, ihm respektvoll zu begegnen. Er schätzt es nicht, wenn man ihn unterbricht und seine Entscheidungen kritisiert. In den abgelegenen Klöstern der Pyrenäen finden sich einige kluge Köpfe, die es gewagt haben.«
»Sorgt Euch nicht. Unser Abt in Strasbourg hat mich Gehorsam und Demut gelehrt.« Vor allem Demut, dachte Simon und öffnete seine Tür.
»Entschuldigt mich.«
Nachdem er die Tür wieder geschlossen hatte, weiteten sich seine Augen. »Du?«
Violante erhob sich von seinem Betstuhl. Ihre gefalteten Hände lösten sich. Beide achteten sorgsam darauf, Abstand zwischen sich zu wahren.
»Ich muss mit dir sprechen«, sagte sie mit angestrengter Stimme. »Meine Gefährten drängen, mit Ausnahme von Eudora, auf eine Rückkehr nach Strasbourg. Ich kann sie nicht mehr lange hinhalten.«
Simon betrachtete sie. Sein ganzer Körper brannte. Nachdem er Mathieu verlassen hatte, hatte er das Gefühl verspürt, zur Ruhe zu kommen; bei ihrem Anblick
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