Beginenfeuer
ging der Kampf wieder von vorne los. Es war zum Verrücktwerden. »Violante, wir müssen stark sein. Wir wissen beide um unsere Liebe, aber jetzt ist der Augenblick gekommen, wo wir uns für immer verabschieden müssen. Hast du dir Gedanken über deine Zukunft gemacht?«, brachte er mit Mühe über die Lippen.
»Ich will nicht wieder von einem Ort zum nächsten geschickt werden«, antwortete sie knapp. »Strasbourg bedeutet mir so wenig wie Paris oder Brügge. Die Zeiten, da ich den Weingarten für mein Zuhause gehalten habe, sind längst vorbei.«
»Ich wünschte, du würdest mit Mathieu nach Andrieu gehen«, stieß Simon heraus. »Ich wüsste dich so gerne behütet und in Sicherheit.«
»Während du selbst… wo… bist?«
Die Betonung ihrer Worte bewies ihm, dass sie die Situation längst begriffen hatte. Sie wusste, dass dies ihr Abschied war. »Frag mich nicht.« Mit wenigen Schritten war er bei ihr und hielt ihre verkrampften Finger in den seinen. »In Avignon?« Er sah ihr an, dass sie die Frage eigentlich gar nicht stellen wollte.
Sie kämpfte gegen ihr Herz an. Sie wollte ihren Kummer vor ihm verbergen.
»Ich verlasse meinen Dienst bei Seiner Heiligkeit«, sagte er ohne Umschweife. »Es sind Dinge geschehen, die es nicht zulassen, dass ich länger bleibe.«
»Bin ich daran schuld?«
Die winzige Pause vor dem letzen Wort und das Zittern ihrer Lippen verrieten sie. Sie fürchtete seine Antwort. Er fasste ihre Hände fester.
»Nein, es hängt mit dem italienischen Kardinal Colonna und mit innerkirchlichen Konflikten zusammen. Du musst dir keine Gedanken darüber machen.«
Er sagte ihr nicht die Wahrheit, damit sie keine zusätzliche Bürde zu tragen hatte. Sie blieb dennoch argwöhnisch. »Kardinal Colonna hält mich für eine Verwandte des Königs. Es muss ihn seltsam anmuten, dass ich im erzbischöflichen Palast verschwunden bin. Hat er etwas herausgefunden?« Simon unterdrückte eine unwillige Bewegung. Warum war sie nicht wie andere Frauen? Arglos und bereit zu glauben, was ein Mann sagte?
»Vergiss den Kardinal«, sagte er eine Spur zu schroff. Er spürte ihr Zusammenzucken und setzte hinzu: »Er kann weniger denn je für dich tun. Auch Pater Étienne braucht dich nicht länger zu beunruhigen. Er erhält neue Aufgaben, die seine ganze Kraft und Frömmigkeit erfordern werden.« Violante befreite ihre rechte Hand und legte sie auf Simons hagere Wange, während er weitersprach. »Ich kann nicht nach Avignon zurück. Ich muss von der Bildfläche verschwinden. Ich werde eine Gruppe Zisterziensermönche an das andere Ende des Königreiches begleiten. Wir wollen ein neues Kloster errichten.«
Er verschwieg ihr absichtlich den Namen der Stadt, in deren Nähe dieses Kloster errichtet werden sollte. Mathieus Reaktion hatte ihm gezeigt, dass es besser war, nicht zu viel offen zu legen. Die zärtliche Berührung auf seiner Wange endete, dafür legten sich zwei Finger auf seine Lippen und verhinderten, dass er weitersprach.
»Du willst es mir nicht sagen. Gut. Ich will dich nicht noch länger quälen. Du hast mir genügend Glück für ein ganzes Leben geschenkt. Ich werde es wie einen Schatz hüten und dich an jedem Tag in meine Gebete einschließen. Der Himmel behüte deine Schritte.«
Sie trat zurück, und Simons Hand griff ins Leere. Ein schwerer Atemzug entrang sich seiner Brust. »Wirst du mit Mathieu nach Andrieu gehen?«
»Ich weiß es noch nicht.«
Er bekämpfte den Impuls, sie an den Schultern zu packen und zu schütteln.
»Du hast noch ein paar Tage Zeit, es zu überlegen. Der Erzdiakon hat mir zugesichert, dass du mit den Frauen im Palast bleiben kannst, bis das Konzil zu Ende ist. Spätestens dann musst du dich entscheiden.«
»Der Erzdiakon weiß von mir?«
Simon nickte. »Die Sorge um dein Wohlergehen habe ich jedoch meinem Bruder anvertraut. Wenn du nach Strasbourg zurückwillst, wird er…«
»Nein. Die beiden anderen Mönche und eine Schwester werden heimkehren. Eudora bleibt bei mir, egal, wie meine Entscheidung ausfällt.«
Es gab nichts mehr zu sagen. Stumm sahen sie sich noch einmal in die Augen, und jeder empfand den Schmerz des anderen. Nur ein Schritt, bohrte eine lästige Stimme in seinem Kopf. Ein Schritt, dann kannst du sie in den Arm nehmen und küssen. Sie wird dir nicht widerstehen. In ihren Armen warten Leidenschaft und Vergessen auf dich. Wer erfährt es schon, dass du ein letztes Mal gesündigt hast?
»Leb wohl«, sagte er mit steifer Haltung. »Ich liebe dich mehr
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