Beginenfeuer
als mein Leben, und es wird kein Tag vergehen, an dem du nicht in meinem Herzen und in meinen Gedanken bist. Aber ich wünsche dir, dass du eines Tages die Kraft finden wirst, mich zu vergessen.«
Violante konzentrierte ihre ganze Kraft, aber eine Träne rann ihr trotz allem langsam über die Wange. Sie machte keinen Versuch, sie fortzuwischen. Sie wandte sich um und verließ stumm die Kammer.
Simon ging zum Betstuhl und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Nichts, was künftig geschah, würde je wieder so bedrückend und qualvoll für ihn sein. Dessen war er sich sicher.
V IOLANTE VON C OURTENAY
Vienne, Herberge »Zur Alten Mühle«, 3. November 1311
Die Vorstadt von Sankt Martin war eng und laut. Das Klappern der Mühlen mischte sich mit dem Lärm aus Werkstätten und den Stimmen der Männer, die auf den Mauern arbeiteten, um die Stadtbefestigung auszubauen. Vienne war ein Spielball der Mächtigen. Mal gehörte die Stadt zu Burgund und dann wieder zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, während gleichzeitig die Krone von Frankreich mit seinem Besitz liebäugelte.
Die Mauern wurden auch während des Konzils hochgezogen. Violante und Eudora mussten mehrmals schweren Lastkarren mit Steinen aus dem Weg gehen, bis sie endlich die Herberge »Zur Alten Mühle« am Ufer des Gère erreichten. Am Eingangstor fragte Eudora nach dem Gesandten des Königs von Frankreich. »Der Seigneur empfängt keine Weiber«, behauptete der Soldat und sah auf die rundliche junge Frau herab, die für ihre Herrin das Wort führte.
»Der Seigneur wird dich erschlagen, wenn du ihm nicht auf der Stelle meldest, dass die Dame von Courtenay ihn zu sprechen wünscht.«
Eudora verfiel problemlos in den Ton, mit dem sie die säumigen Webergesellen ihres Mannes zur Arbeit getrieben hatte. Der Bewaffnete zog voll Unbehagen die Schultern hoch. »Wartet hier«, bellte er und verschwand ins Haus. »Na bitte.« Zufrieden lächelte sie Violante an. Schon nach kurzer Zeit eilte Mathieu herbei. »Es ist zwar gewagt, Madame. Aber ich bin froh, dass Ihr den Mut gefunden habt, mich aufzusuchen. Auch ich habe schon versucht, den Kontakt mit Euch aufzunehmen.«
»Erst heute konnte ich mein Quartier verlassen, ohne unziemliche Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Ich war in Sorge um Euch. Folgt mir. Wir werden zum Fluss hinuntergehen.«
Der strenge Tonfall hätte ihr fast ein Lächeln entlockt, während Eudora erschrocken im Hintergrund blieb. »Ihr seid allein?«
Er nickte. »Ich habe Jean nach Andrieu geschickt. Ich gedenke nach Hause zu reiten, sobald mich der König von meinen Aufgaben befreit. Werdet Ihr mich begleiten?« Wie üblich kam er ohne Umschweife zur Sache. »Ich will in Vienne bleiben. Es ist hier so gut wie in jeder anderen Stadt, wenn die vielen Geistlichen erst einmal fort sind.«
»Damit war Simon einverstanden?«
»Das habe ich nicht behauptet. Er hat mir die Entscheidung überlassen, und ich habe sie getroffen.«
Sie wappnete sich gegen seinen Widerspruch. Sie sah, wie wenig es ihm gefiel, dass sie das schützende Dach von Andrieu ablehnte. Er misstraute ihrer Fähigkeit, auf eigenen Beinen zu stehen.
»Erspart Euch die Mühe, mich von diesem Plan abzubringen«, sagte sie, ehe er seine Argumente vorbrachte. »Es ist mir künftig versagt, als Begine zu leben, aber ich will nicht auf meine Freiheit verzichten. Nur als Witwe mit eigenem Hab und Gut kann ich ein ähnlich freies Leben führen. Schon in Strasbourg hat man mich für eine solche gehalten. Lassen wir es dabei. Eudora wird an meiner Seite bleiben. Wir bedürfen lediglich Eurer Hilfe bei der Suche nach einer passenden Unterkunft. Ich dachte an ein kleines Haus, mit einem Stück Garten, am Rande der Stadt. Abseits vom großen Getriebe, aber doch im Schutze ihrer Mauern.«
»Zum Donnerwetter!«
Sie erhob keinen Protest, und Mathieu entsann sich schnell wieder seiner guten Manieren. Dennoch klang seine Stimme scharf, als er die Hindernisse aufzählte, die einem so närrischen Unternehmen seiner Meinung nach im Wege standen. »Eine Witwe, das ist lächerlich! Wessen Witwe? Und wovon wollt Ihr in dieser Hütte leben? Wer wird Euch beschützen und für Euch sorgen?«
»Wir kehren nicht mehr in das Beginenhaus zum Turm zurück, also steht uns beiden das Vermögen zu, das wir dort eingebracht und durch unsere Arbeit vermehrt haben. Auch hierfür wollte ich Euch um Unterstützung bitten. Sicher kennt Ihr einen vertrauenswürdigen Boten, der uns unseren Besitz
Weitere Kostenlose Bücher