Beginenfeuer
mich, ich habe Eure Botschaft verstanden und werde eine Möglichkeit finden, sie bei Hofe zu Gehör zu bringen. In jedem Fall werde ich Euren Ratschlag vortragen, ohne Euch zu erwähnen.«
Beide sahen sich in die Augen und fanden die Gewissheit, dass sie sich aufeinander verlassen konnten.
»Und noch eine Bitte«, fügte Pellegrue hinzu. »Ihr müsst die beiden jungen Frauen mitnehmen, wenn Ihr abreist. Ich will nicht dazu gezwungen werden, mich offiziell mit ihnen zu befassen.«
»Ihr habt meinem Bruder versprochen…«
»Bis zum Weihnachtsfest, nicht länger.«
»Ich werde mich darum kümmern«, antwortete Mathieu notgedrungen.
»Gut. Ich habe als Freund zu Euch gesprochen. Ich gehe davon aus, dass ich mich in Euch nicht täusche.« Mathieu sah Pellegrue nach, als er über die gekiesten Wege zum Palast ging. Der Kopf schwirrte ihm.
Z WEIUNDZWANZIGSTES K APITEL
Hoffnung
V IOLANTE VON C OURTENAY
Vienne, Palast des Erzbischofs, 13. Dezember 1311
Violante hörte das Geräusch, mit dem die Glut in das eiserne Becken rollte, das ganz in der Nähe ihres Lagers stand. Eudora hatte in der Küche des Palastes einen Eimer heiße Holzkohle geholt. Seit der Nebel des Nachts vom Fluss in die Stadt hinaufstieg, war ihre Kammer morgens eiskalt und klamm.
»Bleibt liegen, bis es ein wenig warm ist«, vernahm sie nun Eudoras wohl gemeinten Rat. »Heute ist der Tag der heiligen Luzia, und man friert sich die Nasenspitze ab, wenn man sie aus der Tür streckt. Vielleicht gelingt es mir, aus der Küche ein paar Köstlichkeiten für unsere Morgenmahlzeit zu organisieren. Vom Sonntagsmahl der geistlichen Herren bleibt meist etwas übrig.«
Violante antwortete nicht. Seit geraumer Zeit kämpfte sie jeden Tag vor dem Aufstehen gegen eine unerträgliche Übelkeit an. Es war so schlimm, dass sie nur mit Mühe den Abtritt erreichte, bevor sie sich übergeben musste. Nach einiger Zeit ließ der Brechreiz jeweils wieder nach, sie fühlte sich kerngesund und litt nur noch unter plötzlichem Hunger. Ganz merkwürdige Gelüste, die sie vorher nie gekannt hatte, stellten sich bei ihr ein. Sie grübelte seit Tagen, was es sein könnte; eine Krankheit, der Kummer um Simon oder doch eine Strafe Gottes? Abend für Abend hoffte sie, es möge am nächsten Morgen vorbei sein. Mit Eudora hatte sie bisher nicht darüber gesprochen, obwohl sie sich vermutlich wunderte, dass sie in der Frühe, ohne ein Wort zu sagen, aus der Tür eilte. Heute, am Tag der heiligen Luzia, schaffte sie es nicht mehr rechtzeitig, bis zum Abtritt zu kommen. Sie übergab sich in die leere Waschschüssel und kauerte noch davor, als Eudora aus der Küche wiederkam. »Um Himmels willen, was fehlt Euch?«
»Ich weiß es nicht. Es tut mir schrecklich Leid. Aber ich konnte es nicht mehr zurückhalten.«
Violante richtete sich auf und hielt sich an der Tischkante fest. Der Raum drehte sich ihr vor Augen. »Ihr seht aus wie ein Gespenst.«
»Es geht vorbei«, winkte Violante ab. »Es ist noch jeden Tag vorübergegangen.«
»Euch ist seit Tagen übel?«
Jetzt wurde Eudora blass. Sie ließ sich auf den nächsten Hocker sinken, bekreuzigte sich mechanisch und murmelte ein Gebet. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, protestierte Violante. »Du musst nicht gleich alle Heiligen um Beistand anflehen. Lass mich die Schüssel entleeren und bring mir bitte Wasser.«
»Ich kann beides erledigen. Habt Ihr auch andere Beschwerden?«
»Nein. In einer halben Stunde ist alles vorbei. Vielleicht bin ich nur etwas müder als sonst, und meine Brüste spannen ungewohnt.«
»Der Himmel steh uns bei. Was habt Ihr getan? Wie konntet Ihr zulassen, dass er Euch anrührt?«
»Wovon redest du?« Ein höchst unbehagliches Gefühl stieg in Violante auf. Sie wusste nicht, warum sich Eudora so erregte. Sie hatte erkennbare Mühe, sich zu fassen und nicht grob zu werden. »Ihr bekommt ein Kind. In der Mitte des Sommers vermutlich, wenn es die Nacht war, nach der Ihr mir weismachen wolltet, ich hätte Eure morgendliche Rückkehr verschlafen.« Violante starrte sie an.
»Ich täusche mich nicht. Die Anzeichen sind unverkennbar. Ich hätte schon viel früher Verdacht schöpfen müssen. Aber ich habe mir diesen Gedanken wohl einfach verboten.« Sie bückte sich mit grimmigem Gesicht nach der Schüssel und wandte sich zur Tür.
»Legt Euch nieder, bis Ihr Euch besser fühlt. Wir können nachher weiterreden.«
»Aber wie kommst du darauf, dass ich ein Kind erwarten
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