Beginenfeuer
er die Dienste des Mannes so reichlich, dass auch sein Schweigen damit abgegolten wurde. Als sie wieder allein waren, wandte er sich dem verstörten Mädchen zu.
»Wollt Ihr mir Euren Namen sagen, Demoiselle?«
»Ysée.«
»Hat Euch der Handelsherr Cornelis dies angetan?« Sie nickte stumm, und die Tränen begannen ihr von Neuem über die Wangen zu strömen. Sie machte sich nicht die Mühe, sie abzuwischen.
»Was habt Ihr mit ihm zu schaffen? Was ist das für ein Haus, in dem er Euch Gewalt angetan hat? Das Eurer Mutter?« Ysée schüttelte heftig den Kopf. Ihr verzweifeltes Schluchzen ließ nur wenige Worte verstehen. »Beginenhof… Brand… fortbringen…« Den Rest reimte er sich zusammen.
»Ihr seid eine Begine, und Cornelis hat Euch in der Nacht des Brandes entführen lassen?«
Ein Nicken. Zum ersten Male seit langem empfand Mathieu wieder Gefühle für ein weibliches Wesen. »Fasst Euch, Ihr seid in Sicherheit. Niemand tut Euch unter diesem Dach Böses«, beruhigte er sie Anteil nehmend. »Aber… der Medicus… Warum habt Ihr ihn gewähren lassen?« Sie schien vor jeder männlichen Berührung zurückzuschrecken.
»Das ließ sich nicht vermeiden, Kind. Ein solcher Sturz kann schlimme Folgen haben. Ihr müsst dem Himmel danken, dass Ihr Euch nicht den Hals gebrochen habt.«
»Es wäre besser gewesen.«
Sie stieß es mit solcher Verzweiflung hervor, dass es dem Ritter den Atem nahm. Es schien ihm, als müsse ein solch abgrundtiefes Entsetzen noch gewichtigere Gründe haben als die, die ohnehin auf der Hand lagen.
»Wollt Ihr mir nicht sagen, wie Euch alles geschehen ist«, bat er sanft.
Er wartete geduldig, bis das Schluchzen leiser wurde und ein keuchender Atemzug ihre Brust weitete. Wie sie in der hintersten Ecke des Alkovens kauerte, war sie ein Bild des Elends. »Er wollte mich zum Weib. Er hat mir brutale Gewalt angetan… und er ist der Vater meiner Mutter… Es… es muss so sein… Da war ein Bild von meiner Mutter… Die Frau… geliebte Tochter… ihre Perlen mit der Blüte…«
Mathieu sah ihr auf den gesenkten Scheitel. Nicht einmal in ihrem Zustand konnte man eine solch unglaubliche Geschichte einfach erfinden.
War es möglich, dass Brandstiftung und Entführung zu ein und demselben Auftrag gehörten? Wenn ja, dann war dies ein skrupelloses Verbrechen, das schonungslos geahndet werden musste.
»Beruhigt Euch und überlasst Euch meinem Schutz«, versuchte er das Mädchen zu trösten. »Ich bin Mathieu von Andrieu, Gesandter Seiner Majestät des Königs von Frankreich. Ihr steht unter dem doppelten Schutz der Krone. Sowohl als Begine als auch als Opfer eines Verbrechens. Ihr habt nichts mehr zu befürchten.«
»Dann erlaubt Ihr mir also, in den Beginenhof zurückzukehren?«
»Wenn alles geklärt ist, steht dem nichts im Wege«, versprach er ihr. »Bis dahin bitte ich Euch um Geduld. Nutzt die Zeit, Eure Blessuren auszukurieren. Ich werde dafür sorgen, dass man Euch bequem unterbringt und dass Euch eine Dienerin aufwartet.«
Ysée zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Die hilflose Geste rührte Mathieu auf unerwartete Weise. Es war weniger die anmutige Erscheinung des Mädchens, die in ihm den Wunsch weckte, sie zu beschützen, als ihr offensichtliches Misstrauen, ihr tapferer Versuch, alles allein zu vollbringen. Sie erwartete wenig Gutes von anderen Menschen. Sie erinnerte ihn an eine kleine Katze, die von herzlosen Burschen gequält worden war und nun allen anderen ebenfalls mit Vorsicht begegnete. »Ihr dürft mir vertrauen.«
Er erhielt keine Antwort und beschloss, auf der Stelle tätig zu werden, ihr zu zeigen, dass er keine leeren Versprechungen machte. Sein Waffenmeister wartete auf dem Gang und sah ihm ausgesprochen beunruhigt entgegen. »Du wolltest einen Ritt, um deinen Kopf auszulüften, stattdessen schleppst du ein Mädchen und neue Probleme an. Wie reimt sich das zusammen?«
»Besser, als du denkst.«
Er sagte ihm kurz, was geschehen war. »Je weniger Leute von unserem Gast wissen, desto besser ist es. Unter dem Gesinde der Gräfin muss es doch eine mütterliche, schweigsame Frau geben, die sich des Mädchens annehmen kann.«
»Wäre es nicht besser, die Jungfer zu den Beginen zurückzuschicken?«
»Sicher, nur ist sie augenblicklich unsere einzige Zeugin, wenn ich Piet Cornelis anklagen will. Ich möchte sie nicht aus den Augen lassen. Dass ihr nicht einmal der Beginenhof Sicherheit bietet, haben die Ereignisse ja auf tragische Weise bestätigt.«
»Denkst du,
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