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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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schloss und auch die Taille mit seitlichen Bändern enger schnürte. Darüber kam schließlich ein moosgrünes Surkot mit längs geschlitzten Ärmeln.
    Die Alte bauschte die hellere Stofffülle des Untergewandes aus diesen Schlitzen und trat erst zurück, nachdem sie einen breiten, perlenbestickten Gürtel unter dem Busen geschlossen hatte.
    Ysée strich über die kostbaren Gewebe und sah verwirrt auf. »Das sind nicht meine Kleider. Seid Ihr sicher, dass ich sie tragen darf? Habt Ihr nichts Schlichteres für mich?« Die Greisin schnaubte unwillig. »Es ist zu kurz, man sieht Eure Füße. Ihr seid größer als sie, und die Schuhe werden Euch auch nicht passen. Wie ärgerlich. Ich muss mich darum kümmern. Setzt Euch da auf den Hocker vor den Herd, damit Eure Haare schneller trocknen. Ich werde sie kämmen.«
    »Nein!«
    Ysée hatte genug von der Komödie. Sie warf die feuchten Strähnen über die Schultern und hob das Kinn. »Sagt mir, was all das bedeutet, und hört auf, mich noch länger zum Narren zu halten.«
    »Das ist nicht meine Sache. Das muss er tun.«
    »Wer ist er?«
    »Ich muss Euch kämmen«, entgegnete die Frau stur. »Gebt mir den Kamm, ich mach es selbst.« Ysée hielt ihr auffordernd die Hand hin, und nach einem kurzen Blickwechsel gab sie ihn ihr.
    »Ihr seid nicht wie sie«, sagte die Alte plötzlich sehr ungnädig. »Sie war sanft und freundlich, gehorsam und demütig. Nicht so widerspenstig wie Ihr.«
    »Ich bin ich«, entgegnete Ysée trotzig und zog den Kamm so heftig durch die nassen Haare, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.
    »Das wird wohl so sein«, sagte die Greisin und wischte sich die nassen Hände an ihrem dunklen Gewand ab. »Lasst mich gehen, wenn Ihr ohnehin nicht zufrieden mit mir seid.«
    »Das liegt nicht in meiner Macht. Ich bringe Euch wieder zurück in Euer Gemach.«
    Für einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, die Alte zur Seite zu stoßen und einfach davonzulaufen. Sie mochte kräftig sein, aber sicher nicht so flink wie sie. Doch dann verwarf sie diesen Gedanken, da sie sich sicher war, dass auch die Haustür verriegelt sein würde.
    Wieder allein, ging Ysée zur Truhe am Fenster. Der Regen hatte aufgehört, und so versuchte sie noch einmal, das Fenster zu öffnen. Als sie mit aller Gewalt an den Haken zog, sprangen die Flügel plötzlich auf. Sie wäre fast zu Boden gestürzt. Im Zimmer wurde es so hell, dass sie erst jetzt auf ein Bild an der Wand aufmerksam wurde. Ein Bild, von Schnitzwerk gerahmt, mit feinsten Pinselstrichen und lebensechten Farben gemalt, auf einer glatten Holztafel.
    Es war keine Heiligendarstellung. Sie erkannte eine junge Frau mit einem Lilienzweig in der Hand. Ihre offenen flachsblonden Haare wurden von einem goldenen Reif gehalten, im spitzen Ausschnitt ihres Gewandes schimmerten Perlen – ein unverwechselbarer Schmuck, dessen Schließe zu einer Blüte gearbeitet war und der sich Ysée für immer ins Gedächtnis gebrannt hatte. Das sanfte Lächeln und die grünen Augen raubten ihr den Atem. Ihr Herz blieb stehen. Träumte sie? War dies ihre Mutter, deren Bild in ihrem Herzen zwar blasser geworden, aber fest bewahrt war?
    Bevor sie die Gedanken ordnen konnte, öffnete sich die Tür. Ysée starrte fassungslos auf den stämmigen Mann, der unter dem Türstock stand.
    Piet Cornelis hatte sich in ein prächtiges Wams aus pflaumenblauem Florentiner Samt gehüllt. Sein rotes Gesicht unter dem blau-gold gestreiften Barett zeigte ebenso Bewunderung wie Entschlossenheit. Die kräftigen, ein wenig kurzen Beine steckten in burgunderroten Beinlingen, die großen Füße in geschnürten Schuhen.
    Der Schleier der Ungewissheit hob sich. Sie musste sich fangen. Zu welchem Bild würden sich die einzelnen Erinnerungen, die ihr durch den Kopf schossen, zusammenfügen? »Ihr?«, entrang es sich ihrer gepressten Kehle. »Ich«, entgegnete er stolz.
    Er schloss die Tür hinter sich und kam auf sie zu. Ysée wich zurück.
    »Habt Ihr den Humpelnden geschickt, der mich betäubt und aus dem Beginenhof geschleppt hat? Meine Schwestern werden mich vermissen. Sie werden mich suchen.«
    »Sie glauben längst, dich gefunden zu haben, meine Liebe. Sie betrauern dich, denn sie denken, du bist umgekommen in eurem brennenden Haus, als du deine Mutter retten wolltest.« Ihre Mutter war also dem Feuer zum Opfer gefallen. Sie kämpfte um Fassung und versuchte gleichzeitig seinen begehrlich ausgestreckten Händen zu entkommen. Er musste verrückt sein, dachte sie.
    »Ihr

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