Beginenfeuer
Pferdebrunnen?«
Wenig später saßen sie in einer Ecke des Wirtshauses. Die spontane Wiedersehensfreude war einer gewissen Befangenheit gewichen. Beide hatten sie verlernt, einem anderen rückhaltlos zu vertrauen. Sie suchten in der Vergangenheit nach einem Weg zueinander, bis der Jüngere als Erster das Wort ergriff.
»Ich war der Meinung, du seiest nach Andrieu zurückgekehrt, nachdem die Freigrafschaft Burgund endgültig dem Herzogtum Burgund einverleibt wurde«, begann er das Gespräch. »Als ich hörte, dass König Philipp seinen Zweitältesten Sohn mit Johanna, der Tochter des Pfalzgrafen Ottenin, verheiratet hat, nahm ich an, dass dies auch das Ende deiner Verbannung bedeutet habe.«
Mathieu bedachte den Bruder mit einem unergründlichen Blick. »Ist die Politik bis nach Fontenay gedrungen?«
»Wundert dich das? Immerhin hat Philipp der Schöne mit diesem geschickten Schachzug das königliche Herzogtum Burgund um fast das Doppelte seiner Fläche vergrößert. Es reicht jetzt von der Loire bis nach Lothringen und von Auxerre bis Aosta. Pfalzgraf Ottenin entledigte sich mit der Unterschrift unter den Ehevertrag nicht nur seiner einzigen Tochter, sondern auch seiner horrenden Schulden. Die Freigrafschaft, die er ihr als Mitgift übertrug, war abgewirtschaftet und mit Anleihen überhäuft. Man erzählt sich, dass König Philipp Ottenin nicht nur aus der Klemme geholfen und ihm ein Vermögen für seine Tochter geboten hat, er soll auch seinen ganzen Einfluss geltend gemacht haben, damit der Habsburger Albrecht keinen Einspruch gegen die Ehe der Pfalzgrafentochter erhebt. Ich weiß nicht, ob das stimmt.«
»Du kannst es getrost glauben. Ottenin rinnt das Gold noch schneller durch die Finger als dem König. Er lebt an Philipps Hof, und ich kann es nicht vermeiden, ihn bei offiziellen Ereignissen zu sehen.« Mathieus Ton verriet nicht, wie wenig ihm daran lag, seinem ehemaligen Fürsten zu begegnen. »Burgund hat ihn bereits vergessen«, erwiderte Simon. »Philipp der Lange ist trotz seiner Jugend ein guter Landesfürst.« Alle Welt hatte sich angewöhnt, den Zweitältesten Sohn Philipps des Schönen nach seiner Körpergröße zu benennen, da er den gleichen Namen wie der Vater trug. Mittlerweile achtzehn, hatte er im Alter von sechzehn Jahren Ottenins Tochter zur Frau genommen. Der Heiratsvertrag, der diesem Schritt zugrunde lag, war in aller Heimlichkeit schon 1295 unterzeichnet worden, als er gerade vier Jahre zählte. Erst im Dezember 1299 hatte sein Vater die bevorstehende Heirat offiziell bekannt gegeben, und 1307 waren Braut und Bräutigam endlich alt genug für den Vollzug der Ehe gewesen. Seit dieser Zeit regierte Philipp der Lange neben dem ererbten königlichen Herzogtum Burgund auch über das neue Gebiet, dessen Bewohner den alten Namen franche comté, Freigrafschaft, nicht ablegen wollten.
Mathieu enthielt sich jeder Stellungnahme zu den Fähigkeiten des jungen Herzogs. »Sein Vater wird ihm die richtigen Ratgeber an die Seite gestellt haben. Er pflegt niemals etwas dem Zufall zu überlassen.«
»Weshalb bist du unter diesen Umständen nicht längst wieder in Andrieu?« Simon überraschte den Älteren mit seiner Hartnäckigkeit.
»Weshalb sollte ich das sein?«
»Das Lehen ist dein Erbe. Die Ländereien und Dörfer am Fluss, die Burg, der Titel des Grafen von Andrieu, all das steht dir zu. Warum erlaubst du, dass sich dort ein Fremder einnistet? Mabelles zweiter Gemahl ist lediglich eine Marionette Ottenins. Ein Höfling, der unsere Schwester auf Befehl des Pfalzgrafen geheiratet hat.«
»Du weißt gut Bescheid.«
»Mabelle hatte darauf bestanden, dass ich zur Taufe ihres Erben erschien, als ich Novize in Fontenay war. Mein Beichtvater hat es mir als Buße auferlegt, ihrem Wunsch zu folgen. Er hielt es für eine passende Lektion.«
»In Geschwisterliebe? Oder in christlicher Demut?« Simon verzog den Mund. »Vermutlich beides, und ich bin doppelt gescheitert. Mabelles Ehrgeiz schreckt vor nichts zurück. Ahnst du überhaupt, mit welchem Geschick sie Pfalzgraf Ottenin nach der Zerstörung von Courtenay die unschuldige, verzweifelte Witwe vorgespielt haben muss? Da war sicher keine Rede davon, dass sie den Tod des Courtenay gefordert hat, weil sie ihm weder das gebrochene Verlobungsversprechen noch den Tod unseres Vaters vergeben konnte. Ihre geschickt vergossenen Tränen haben deine Verbannung bewirkt. Es war Ottenin sicher auch ein Anliegen, die schöne Witwe zu trösten.« Nach einer kurzen
Weitere Kostenlose Bücher