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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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dass dich Cornelis erkannt hat?«
    »Ich bin mir fast sicher. Zwar habe ich ihn nur flüchtig gesehen, aber auf dem Rücken von Odysseus war ich wohl nicht zu verkennen.«
    »Seit wann kümmert dich ein Weiberschicksal?«
    »Warst nicht du es, der mir geraten hat, mich mehr um Weiber zu kümmern?« Er behielt das letzte Wort.
     
     
     
    B RUDER S IMON
    Brügge, Pfarrhaus an der Weingartenbrücke,
    21. November 1309
     
    Bruder Simon zögerte, das Pfarrhaus zu betreten. Er verharrte auf der Brücke über die Reie. Die graue Wolkendecke hing bis auf die Giebel, Türme und Mauern des Beginenhofes herab. Dünne Nebelschwaden trieben über die jetzt so glanzlose Fläche des Flusses. Er verschränkte die Arme unter dem grauen Kapuzenmantel vor der Brust und unterdrückte ein Frösteln. In Avignon war es vermutlich sogar Ende November noch warm und freundlich. Er hätte nie gedacht, dass er sich tatsächlich einmal nach der Stadt im Süden sehnen würde. Zu viel hatte sich ereignet. Es fiel ihm schwer, Pater Felix unter die Augen zu treten. Sollte er ihm gestehen, dass er Ysée am Leben glaubte und sich um sie sorgte?
    Die Beule auf der Stirn hatte sich zu einer schillernden, rotblauen Geschwulst verkleinert, die ihn nur noch schmerzte, wenn er seine Gedanken durch dieses Labyrinth aus Selbstvorwürfen und sinnlosen Fragen schickte. Wo sollte er anfangen, nach Ysée zu suchen?
    Schnelle, energische Schritte näherten sich der Brücke vom Weingartenplatz und rissen ihn aus seiner Versunkenheit. Er schaute auf und entdeckte einen hoch gewachsenen Mann, der unbeirrt seinen Weg nahm. Er machte den Eindruck, als würde er, ohne zu zögern, durch das offene Tor des Beginenhofes spazieren. Wer war er? Ein Fremder, der die Gebräuche in Brügge nicht kannte? Für einen Südländer war er zu groß und für einen Händler seine Haltung zu stolz. Etwas an der Gestalt, die wie er die Kapuze des Mantels gegen den Wind hochgeschlagen hatte, kam ihm vertraut vor. Er trat ihr in den Weg, ohne lange nachzudenken.
    »Gott zum Gruße, Pater. Könnt Ihr mir…« Die Stimme brach ab. »Simon?«
    Simon brachte keinen Laut über die Lippen. Er starrte in kühle graue Augen und suchte in einem fremden Männergesicht nach den Zügen des Jünglings, an den er sich erinnerte. Er gewahrte nichts Fröhliches, Jungenhaftes, nur scharfe Kanten und schroffe Linien. Eine Narbe an der rechten Braue. Seine Augen weiteten sich ungläubig, und in seinem zurückhaltenden Blick strahlte jäh ein heller Funke auf. »Bruder! Wahrhaftig, du bist es wirklich!«
    Simon fand sich in einer Umarmung zerquetscht, die ihm die Luft aus den Lungen presste und seinen Schädel so kräftig durchschüttelte, dass er förmlich die Sterne sah. Reiner Selbsterhaltungstrieb ließ ihn die Stimme zurückfinden. »Könntest du davon Abstand nehmen, mich zu erdrücken, du Kriegsknecht?«
    Ein Schlag auf seine Schulter erschütterte ihn von Neuem, doch endlich entdeckte er einen schalkhaften Ausdruck auf den harten Zügen. »Bei Gott, Simon. Wie gut es tut, dich zu sehen und deine Stimme zu hören.«
    »Ich würde gerne dasselbe sagen, Bruder, nur lass mich bitte am Leben«, antwortete Simon und lachte ihn an. »Tausend Fragen habe ich, aber zu allererst einmal: Was tust du ausgerechnet in Brügge?«
    »Das Gleiche könnte ich dich fragen. Das Letzte, was ich von dir gehört habe, war, dass du dem Schwert entsagt hast und zu den Mönchen von Fontenay gegangen bist. Ein halbes Menschenleben ist das her.«
    »Zehn Jahre«, verbesserte Simon, der die Jahre genau nachgerechnet hatte.
    Hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken, und neben der unerwarteten Freude empfand er auch grenzenlose Erleichterung. Mathieu war vielleicht genau der Mensch, den er zur Lösung seines dringendsten Problems benötigte. »Von Fontenay nach Brügge ist es ein weiter Weg?« Mathieu ließ eine unausgesprochene Frage mitschwingen. »Sieht wirklich so aus, als hätten wir uns eine Menge zu erzählen, kleiner Bruder. Wo sollen wir hingehen?«
    »Komm mit ins Pfarrhaus am Beginenhof«, lud er ihn ein. »Dort wohnst du? Bist du Priester des Beginenhofes?«
    »Ich bin Gast des Priesters, der den Pfarrsprengel vom Beginenhof betreut. Eine Pilgerreise zum Heiligen Blut.« Ihre Blicke trafen sich, und der Jüngere hatte das deutliche Gefühl, dass Mathieu sein Vorschlag nicht gefiel.
    »Es widerstrebt dir, ausgerechnet im Haus eines Priesters unser Wiedersehen zu feiern? Was hältst du von der Schänke am

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