Beginenfeuer
Pause sprach er weiter. »Der Erbe, zu dessen Taufe man mich beordert hatte, kam acht Monate nach Mabelles Eheschließung zur Welt. Dieser Umstand, im Verbund mit dem Ruf des Pfalzgrafen, ein Weiberheld zu sein, muss auch dem Dümmsten zu denken geben. Es kann nicht sein, dass du einem Kind, das ohne Zweifel in Sünde gezeugt wurde, das Lehen von Andrieu überlässt.«
Er suchte vergeblich nach Zeichen von Empörung oder Zustimmung im Antlitz des Älteren. Lediglich die Tatsache, dass der seinen Wein in einem Zug austrank, ehe er antwortete, verriet eine gewisse Anspannung.
»Ottenin hat den Bann über uns verhängt, weil der Überfall auf Courtenay nicht rechtens war. Kannst du das leugnen?«, sagte Mathieu, nachdem er ausgetrunken hatte. »Wir wollten die Ehre unseres Vaters und die unserer Schwester verteidigen. Heute wären wir nicht mehr so einfältig, uns von zwei Frauen zu einer solchen Tat überreden zu lassen. Du hast ein Geburtsrecht«, erinnerte Simon. »Wieso forderst du es nicht ein? Philipp der Lange wird einem verdienten Ritter seines Vaters gewiss Gerechtigkeit angedeihen lassen und das einseitige Urteil seines Vorgängers korrigieren.«
»Wie soll diese Korrektur aussehen? Willst du unsere Schwester, ihren Gemahl und das Kind in den Burggraben werfen?« Simons Augen loderten verärgert auf. »Erspare mir deinen Zynismus. Mabelle hat wesentlich weniger Skrupel. Sie herrscht im Namen ihres Gemahls über Andrieu und Courtenay, denn sie hat Ottenin sogar die verwaisten Ländereien des Nachbarlehens abgerungen. Vermutlich glaubte sie ein Recht darauf zu haben, weil Courtenay sein Eheversprechen so ehrlos gebrochen hat.«
»Ottenin hat das Lehen von Courtenay Andrieu zugeschlagen?« Zum ersten Male wirkte Mathieu ehrlich überrascht. Simon nickte knapp. »Ich habe die Urkunden bei der Taufe eingesehen. Mabelle hat sie mir triumphierend gezeigt. Ihre Zielstrebigkeit ist ungebrochen. Sie will ihrem Sohn ein Lehen übergeben, das der fürstlichen Abstammung seines wahren Erzeugers angemessen ist. Nur du kannst ihrer Anmaßung Grenzen setzen.«
Mathieu bedachte seinen Bruder mit einem dünnen Lächeln. »Ich habe der Rache abgeschworen, als ich Andrieu für immer verließ, Simon. Die Vergangenheit ist abgeschlossen und tot. Ich werde sie nicht zu neuem Leben erwecken.«
»Meidest du Andrieu, weil du glaubst, dass du dein Erbrecht aus jugendlicher Gutgläubigkeit verwirkt hast?«, fragte Simon. Mathieu stieß einen Laut des Unmuts aus, ehe er vehement widersprach. »Kannst du nicht aufhören, die Vergangenheit zu beschwören? Du machst sie nicht ungeschehen.«
»Dann lass es, für eine Schuld zu sühnen, die andere auf uns geladen haben.«
»Und was ist mit dir, Simon von Andrieu?« Die ungewohnte Anrede verwunderte ihn. »Du hast Schwert und Sporen abgelegt und an die Pforte von Fontenay geklopft. Du hast hinter seinen Mauern den erhofften Frieden gesucht. Wolltest du dich nicht auch von der Last, die dein Gewissen so sehr bedrückt hat, befreien und keinem weltlichen Herrscher mehr dienen?« Simon wahrte mit Mühe die Beherrschung. »Du hast einen schlechten Tag gewählt, mich das zu fragen. Verrate mir lieber, was dich nach Brügge führt.«
»Ich bin im Auftrag des Königs hier. Und du?« Simon warf einen Blick in die Runde und dämpfte seine Stimme, obwohl das Wirtshaus in der Mitte des Vormittages noch halb leer war.
»Ich kann es nicht sagen«, wehrte er ab.
Mathieu hatte den Blick gesehen und hob forschend eine Braue. »Ist es möglich, dass du dich fragst, ob du mir vertrauen kannst, Kleiner?«
Die vertraute Anrede aus Kindertagen löste die Befangenheit. »Wem sonst, wenn nicht dir?«
Ihre Hände trafen sich zum festen Griff. Es bedurfte keiner weiteren Worte, das alte Band zu bestätigen. »Ich bin im geheimen Auftrag des Heiligen Vaters in Brügge.« Mathieu pfiff leise.
»Wieso vermag ich nicht an einen Zufall zu glauben?«, murmelte er.
Simon stutzte und dachte zwangsläufig an den Erzdiakon. Seine Eminenz Kardinal Pellegrue hatte sich in Fontenay eingehend nach seiner Familie erkundigt, und er hatte keinen Grund gehabt, ihm etwas zu verschweigen.
»Möglicherweise hast du Recht«, stimmte er unbehaglich zu. »Bleibt uns nur noch die Frage, welche Missionen uns zur selben Zeit nach Brügge bringen?«
»Liegt das nicht längst auf der Hand?« Mathieu lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand hinter der Bank. »Ich bin der königliche Gesandte, der sich von der
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