Begrabene Hunde schlafen nicht
… nein … Es war
P. E. Jansson, der sich im Bett aufgesetzt und die Beine über die
Kante geschwungen hatte. Jetzt ließ er sich langsam herabgleiten, offensichtlich darauf bedacht, mich nicht zu wecken.
Ich schloß die Augen halb, behielt ihn aber hellwach durch
schmale Schlitze im Blick.
Jetzt hielt er sich mit starken Armen fest, glitt herab …
Dann war er unten.
Er sah mich an.
Ich spannte die Muskeln und ballte die Fäuste, jeden Augenblick bereit zum Gegenangriff, wenn er es darauf anlegte.
Aber das tat er nicht. Vorsichtig schlüpfte er in seine Schuhe,
öffnete die Tür, stieg hinaus und schloß sie behutsam wieder.
Ich sah auf die Uhr. Zehn vor sechs.
Wahrscheinlich wollte er nur …
Ich spürte selbst einen schwachen Druck auf der Blase. Aber
nicht genug, um mich ihm anzuschließen.
Ich nickte wieder ein.
Als er zurückkam, wachte ich wieder auf. Und wieder war ich
auf der Hut, aber auch diesmal gab es nicht das geringste Anzeichen dafür, daß er mir etwas Böses wollte. Er schlüpfte aus den
Schuhen und zog sich athletisch wieder zum oberen Bett hinauf.
Ich tat, als bewegte ich mich im Schlaf, murmelte etwas vor
mich hin und sah auf die Uhr. Fünf nach sechs. Dem Plan nach
hatten wir jetzt die Grenze passiert, schmerzlos wie unter
örtlicher Betäubung.
Aber es war nicht die einzige Grenze, die wir passiert hatten.
Draußen hatte uns der Tag wieder eingeholt. Blasses Morgenlicht sickerte durch den Spalt vor dem Fenster.
Als ich das nächste Mal aufwachte, war er wieder auf dem
Weg nach unten. Diesmal ging es nicht so still vor sich. Ich
öffnete die Augen und sah ihn an. Er nickte mir eine Art
wortlosen Morgengruß zu. Als er die Tasche vom Bett hob,
setzte ich mich halb auf. »Sind wir schon in Oslo?«
»Nein, aber wir nähern uns Lillestrøm.«
Fast gleichzeitig kam der Schaffner draußen vorbei. Er klopfte
hart an die Tür, öffnete sie, ohne hineinzusehen, und sagte laut:
»Noch eine halbe Stunde bis Oslo! Noch eine halbe Stunde bis
Oslo!« Daraufhin schlug er die Tür hart zu und ging weiter. Wir
konnten hören, wie er die gleichen Worte durch den ganzen Rest
des Wagens wiederholte, wieder und wieder, wie ein Herold mit
Schluckauf.
P. E. Jansson nickte kurz in meine Richtung, ging auf den
Korridor und schob die Tür hinter sich zu. Gleich darauf hielt
der Zug.
Nach ein paar Minuten stand ich auch auf.
Ich wusch mich mit nacktem Oberkörper, schrubbte das Gesicht unter kaltem Wasser, putzte die Zähne und besprühte mich
mit Deodorant, ohne mich dabei gerade wie ein Bräutigam am
Morgen danach zu fühlen.
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.
Ich zog mich an, ließ den Koffer aber stehen, während ich auf
die Toilette ging. Ich sah weder Hauger noch P. E. Jansson
irgendwo.
Danach ging ich zum Abteil zurück, zog das Rollo hoch, setzte
mich und starrte hinaus, während der Zug das Groruddal entlang
in Richtung Hauptbahnhof fuhr.
Erst als wir angekommen waren und der Zug stand, ging ich
wieder auf den Korridor, auch diesmal mit einem schnellen
Blick in beide Richtungen.
Kein P. E. Jansson. Auch kein Axel Hauger.
Die meisten Passagiere waren schon auf dem Weg nach draußen. Ich stellte mich ganz hinten in die Schlange und spähte auf
den Bahnsteig hinaus. Auch draußen keine bekannten Gesichter.
Der Schaffner bahnte sich den Weg in die entgegengesetzte
Richtung.
Vor einer geschlossenen Tür blieb er stehen. Er klopfte an; als
niemand antwortete, öffnete er sie irritiert und ging hinein.
»Hallo! Aber …! Ih-gitt, o Scheiße!!«
Er erschien wieder in der Türöffnung.
Ich ging dort an ihm vorbei, gerade nahe genug, um einen
Blick ins Abteil werfen zu können.
Es war ein Einzelabteil. Axel Hauger lag auf dem Bett, eine
Schnur um den Hals wie einen allzu eng geknoteten Schlips.
Und er würde ihn nie wieder lockern. Für ihn war der Zug
abgefahren. Er würde nie wieder seine Füße auf einen Bahnsteig
setzen.
47
Ich blieb nicht stehen. Wäre ich dageblieben, hätte die Polizei
endlose Erklärungen aus mir herausgeprügelt. Erst einmal
sollten der Schaffner und die Polizei das unter sich ausmachen.
Ich eilte über den Bahnsteig und drängelte mich in dem Strom
der Reisenden nach vorn. Ich reckte den Hals und sah mich nach
allen Seiten um, aber immer noch konnte ich P. E. Jansson
nirgends entdecken.
Ich dachte fünf Sekunden nach. Dann beeilte ich mich, durch
den Haupteingang hinauszukommen, und nahm ein Taxi in den
Markvei.
Eine Frau war auf dem Weg nach
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