Begrabene Hunde schlafen nicht
Solbakken. «
»Was?!« rief Torleif Pedersen.
Anna-Kristine Bergsjø sah ihn an. »Sagt dir das was?«
»Pål Helge Solbakken wurde vor fünf Jahren umgebracht. Im
Frühjahr 1987. Das war das erste – ich kam direkt von der
Polizeischule. Der Fall Finstad. In Ullersmo sitzt ein Mann
wegen …«
Sie unterbrach ihn mit einer abwehrenden Handbewegung.
»Zu den Details kommen wir später.«
Der Polizist von der Spurensicherung fragte: »Kann ich es
wieder mitnehmen?«
Sie nickte kurz. »Vielen Dank.«
Er nahm den Umschlag an sich und ging. Sie richtete ihren
Blick wieder auf mich. »Wir haben uns ein bißchen nach dir
erkundigt, Veum. Ich hatte ein Telefongespräch. Willst du
hören, wie es verlief?«
»Das kommt darauf an, mit wem ihr geredet habt. Mit der
Kredit-Aufsicht?«
»Oberinspektor Hamre. Ich hatte kaum deinen Namen er
wähnt, da sagte er: Hat er eine Leiche für euch gefunden?«
»Hamre ist als Spaßvogel bekannt. Du solltest nicht …«
»Ja, sagte ich. Um Gottes willen, haltet ihn fest! sagte er.
Sonst Findet er noch mehr.«
»Er hat noch eine Rechnung mit mir offen – mehrere – einen
ganzen Stapel!«
»Was ich dich also ganz einfach fragen möchte, Veum, ist
folgendes. Hast du uns alles erzählt? Absolut alles? «
»Ja. Hand aufs Herz. Axel Haugers Adresse kriegt ihr von der
Auskunft. Wenn ihr Glück habt, trefft ihr auch seine Frau an. –
Merete Sjøwold findet ihr in einer Todesanzeige aus Aftenposten
von 1989. Ihre Mutter wohnt im Hoffsjef Løvenskiolds Vei.
Snefrid heißt sie. Marit Johansens Referenzen findet ihr bei
einer Firma, die A/S Vikartjeneste heißt, und wenn ihr sie
kontaktet, wird sie alles, was ich euch erzählt habe, bestätigen
können. Mons Vassenden auch, übrigens. Aber dann mußt du
noch mal in Bergen anrufen. Nach Svein Grorud werdet ihr
vermutlich sowieso fahnden. Fehlt noch was auf der Liste?«
»Nein. Und wenn, dann … Da ist nur noch eines. Grorud
Inkasso hat früher immer nur eine Postfachadresse gehabt. Wo,
sagst du, liegt das Büro?«
»In der Urtegate …«
»Weißt du vielleicht die Nummer noch?«
»Nein.«
»Dann fährst du mit Polizeiobermeister Pedersen hin und
zeigst ihm, wo es war. Danach kannst du gehen. Bleibst du in
Oslo, oder …?«
»Vielleicht ein paar Tage. Wie gesagt, ich habe einen Sohn,
der stud …«
»Wohnst du bei ihm oder bei Marit Johansen?«
»Hei, meinst du – muß ich Bescheid geben, wo ich – schlafe?«
»Das wäre vielleicht das beste. Du kannst gehen.«
Ich ging, und Torleif Pedersen kam mit.
Ohne ein Wort zu wechseln, gingen wir in die Garage im
Keller, und mit Pedersen am Steuer fuhren wir in einem Zivilfahrzeug in die Urtegate.
Aber als wir ankamen, war der Vogel ausgeflogen. Und nicht
nur das. Er hatte auch sein Nest mitgenommen.
15
Wir überquerten die Straße, und Pedersen ließ den Blick über
die leeren Namensschilder neben der Tür gleiten.
»Da steht nichts«, sagte ich.
Er gab ein Zeichen mit dem Kopf, und wir gingen hinein.
Als wir im ersten Stock ankamen, stand dort auch nichts. Ich
sah mich verwundert um.
»Du bist sicher, daß es dieses Haus war?«
»Ja klar. Ich erkenne auch die Tür wieder.« Ich beugte mich
vor und ließ eine Fingerspitze über die braune Tür gleiten. Sie
hielt an einer winzigen Unregelmäßigkeit inne, und ich zeigte
darauf. »Guck mal. Ein Loch von einer Heftzwecke. Hier war
die Visitenkarte befestigt.«
»Eine Visitenkarte? War das alles, was hier hing?«
»Ja.«
»Sicher?«
»Völlig.«
»Dann …« Er berührte die Tür. Sie war verschlossen. Er
versuchte es mit der Klingel. Sie funktionierte nicht.
Dann wählte er die direkte Methode und trat hart gegen die
Tür, genau neben dem Schloß. Dabei murmelte er: »In einem so
schwerwiegenden Fall wie diesem, muß es erlaubt sein …«
Die Tür sprang mit einem Knall auf.
Wir standen da und lauschten in die Wohnung hinein.
»Es war hier.«
»Immer noch ganz sicher?«
Ich nickte.
Dann gingen wir vorsichtig hinein. Ich zeigte auf eine verschlossene Tür. »Da rein.«
Wir klopften an und drückten die Klinke, gesetzestreue Bürger, die wir waren.
Niemand antwortete, also traten wir ein.
Der Raum war leer.
Sowohl das Vorzimmer als auch das Büro dahinter waren leer,
wie sie nur sein konnten. Das Telefon war weg, ebenso Computermonitor und Tastatur, Schreibtisch und Stühle: weg, weg,
weg. Es war keine einzige Büroklammer mehr da.
»Aber was zum Teu …« Ich wandte mich zu ihm um und hob
die Arme. »Gestern war es alles noch hier! Ihr könnt
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