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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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offenen
Galerien, und meine Gedanken wanderten nochmals zu italienischen Hinterhöfen. Oben unter der Dachkuppel schwebte eine
goldene Figur, eine Art Ikarus auf der Flucht, bevor seine Flügel
an der Sonne schmolzen. Sie verursachte mir viele unangenehme Assoziationen und schuf, während wir zum Büro der Kripo
im vierten Stock aufstiegen, eine unbehaglich-mißmutige Stimmung.
Ich wurde die Galerie entlang zu einer indigofarbenen Tür
geführt, auf der ein Namensschild verriet, daß hier das Zimmer
Anne-Kristine Bergsjøs war.
Einer der Polizisten klopfte an, eine Stimme sagte »Herein«,
der andere Polizist öffnete die Tür, und ich bekam einen Schubs
in den Rücken, der dazu führte, daß ich stolpernd in ihr Leben
trat. Als hätte das noch einen Unterschied gemacht. Sie wußte
längst, was sie von mir zu halten hatte: aus einem Aktenordner,
der vor ihr lag.
Anne-Kristine Bergsjø stand, ein Formular in der Hand, hinter
dem Schreibtisch. Sie spähte über die Ränder ihrer schmalen,
randlosen Brille zur Tür. Als sie sah, wer wir waren, kam sie um
den Schreibtisch herum auf uns zu.
Sie war groß und schlank, genauso groß wie ich, aber deutlich
schlanker – vielleicht mit Ausnahme der Hüftpartie. Sie hatte
hellblondes Haar, nett zur Seite gekämmt und von einer dunkelblauen Haarspange gehalten, als sei sie eine Funktionärin der
Jugendorganisation der konservativen Partei aus Bærum auf
dem Weg nach oben. Sie trug einen blauen Hosenrock und eine
hellblaue Bluse; nur die hellbraune, kurze Wildlederweste mit
der roten, indianischen Borte brach den uniformierten Eindruck.
Sie war Mitte Dreißig und hatte ein mageres, ernstes Gesicht mit
schmalen, markanten Zügen.
Sie gab dem Pflasterstein ein Zeichen, und der nahm mir die
Handschellen ab. Dann gab sie mir die Hand. Ihre Hand war
klein und nüchtern und ihre Stimme so trocken, daß sie damit
eine juristische Beamtenprüfung bestanden hätte. »AnneKristine Bergsjø.«
»Varg Veum. Die Freude ist ganz auf meiner Seite.«
Sie war nicht allein im Zimmer. Von einem Stuhl in einer
Ecke hatte sich, als wir hereinkamen, ein ungefähr gleichaltriger
Mann erhoben. Er hatte kurzgeschnittenes dunkles Haar und war
glatt rasiert, ein Pfadfinderjunge in den besten Jahren.
Anne-Kristine Bergsjø nickte kurz in seine Richtung. »Polizeiobermeister Torleif Pedersen.«
Wir nickten einander zu. Pedersen war in Hemdsärmeln und
trug einen für einen Polizisten sehr lässig geknoteten Schlips mit
Schottenkaro.
»In Ordnung«, sagte sie mit einem Blick zu meinen neuen
Freunden. »Ihr könnt gehen.«
»Sollen wir nicht …« Der Schnauzbart sah sie fragend an.
»Ihr könnt gehen.«
»Danke für die Begleitung«, sagte ich.
»Oh, wir sehen uns sicher wieder«, brummte der Pflasterstein.
»Da sei dir nicht so sicher«, sagte ich. Mit einem Seitenblick
auf die Oberinspektorin fügte ich hinzu: »Das Ganze beruht auf
einem fundamentalen Mißverständnis. Aber wir werden es
schon aufklären, ohne eure Hilfe.«
Anne-Kristine Bergsjø räusperte sich kühl. »Wir wollen dem
weiteren Geschehen nicht vorgreifen. Aber setz dich, Veum.«
Sie wies mich zu einem überraschend bequemen Sessel in
dunklem Leder, während Schnauzbart und Pflasterstein in
synchronem Paßgang durch die Tür verschwanden.
Sie selbst nahm wieder hinter dem Schreibtisch Platz. Einen
Augenblick saßen wir nur da und sahen einander an. Durch das
Fenster hinter ihr sah ich die Umrisse der Hochhäuser, die
einmal Zuchthaus gewesen waren. Niemand würde wohl ein
Loblied darauf singen, angenommen, jemand hätte die ausgezeichnete Idee, sie abzureißen.
In der Hand hielt sie eine Kopie des Formulars, das der Gefängnispolizist im Keller ausgefüllt hatte. »Also, jetzt etwas
formeller. Zum Verhör erschienen ist Varg Veum, privater
Ermittler, wohnhaft in Bergen?«
»Das ist richtig. Der zum Verhör Erschienene pflegt sich nicht
als etwas anderes auszugeben, als er ist.«
»Und was führt dich hierher?«
»Ich wurde …« Ich unterbrach mich selbst. »Ein Auftrag.«
»Und hatte es etwas mit diesem Auftrag zu tun, daß du dich
vor …« Sie sah auf die Wanduhr. »… zweieinhalb Stunden im
Oslo Plaza aufhieltst?«
»Nein. Das heißt, ja. In gewisser Weise. Aber hör zu, als
dieser Schwede kopfüber in den Tod stürzte, da befand ich mich
in der Rezep …«
»Dieser Schwede?! Also weißt du, wer der Tote ist, Veum?«
Sie hatte sich vorgebeugt und sah mich scharf an.
»Ich weiß jedenfalls, daß

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