Begrabene Hunde schlafen nicht
Marit
Johansen fragen und Mons Vassenden und – ja, fragt sie doch!«
Torleif Pedersen hatte rasch eine Runde durch den Raum
gedreht. Jetzt war er stehengeblieben. »Es gibt keine Anzeichen
dafür, daß hier über längere Zeit Möbel gestanden hätten. Sieh
selbst. Keine Vertiefungen im Teppichboden, keine Flecken auf
der Tapete, keine Staubansammlungen in den Ecken.«
»Gestern war alles noch hier!«
»Du wirst sehen, sie hatten alles einzig und allein zu Ehren
von Mons Vassenden aufgestellt.«
»Und was sollte der Grund sein? Vassenden hätte seine Schulden auch in der Herrentoilette am Hauptbahnhof bezahlen
können.«
Er kam näher. »Das hier gibt eine gründliche Untersuchung,
Veum. Und eins sag’ ich dir: Wenn wir rauskriegen, daß du uns
belogen hast …«
»Das hab’ ich nicht!«
»… dann würde ich dir empfehlen, dir einen Anwalt zu suchen. Und zwar einen verdammt guten.«
»Kannst du einen empfehlen?«
Aber Torleif Pedersen war schon an mir vorbei auf dem Weg
nach draußen. Ich folgte ihm hastig.
Er durchquerte den Flur und klopfte hart an die Tür gegenüber.
Es dauerte eine halbe Minute, dann hörten wir dahinter tapsende Schritte. Über eine Sicherheitskette spähte ein dunkelhäutiger, weißhaariger Mann zu uns hinaus.
Pedersen zeigte ihm seinen Ausweis. »Die Tür da drüben. Ist
da – können Sie bestätigen, daß da in den letzten Tagen eine
Firma drin war?«
Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf. »Not understand.
Isch nisch kann ’stehn.«
»Pech für dich!« sagte Pedersen ungeduldig und warf mir
einen grimmigen Blick zu.
Draußen auf der Straße ließ er sich noch weiter gehen. »Verdammt noch mal, was ist los in diesem Land?! Jetzt reicht bald
nicht mal mehr die Polizeischule. Du mußt auch noch ein internationales Übersetzerdiplom haben. Scheiß noch mal, ich
glaub’, das ganze Land geht baden. Irgendwann wachen wir
morgens auf und stellen fest, daß wir im Persischen Golf auf
Grund gelaufen sind!«
»Beantrage doch eine Versetzung«, sagte ich. »Die Stelle des
Gemeindeschupos in Brummundal ist frei, hab’ ich gehört.«
Er sah mich konsterniert an und nickte in Richtung Wagen.
»Na dann, zurück zum Abflugort, Veum.«
»Zurück zum …? Ich dachte, ich sei frei.«
»Nicht nach diesem Fehlschuß. Ich lass’ dich nicht laufen,
bevor Anne-Kristine es genehmigt hat.«
»Na, hoffentlich hat Anne-Kristine bessere Laune als du.«
Wir fuhren wortlos zum Polizeigebäude zurück. Es war halb
sechs, die Straßenbeleuchtung war eingeschaltet, und eine
blaugraue Dämmerung legte sich allmählich über Oslo, als sei
das Ganze eine flüchtige Illusion gewesen, von Zauberern
geschaffen, die jetzt ihre Sachen zusammenpackten und nach
Hause gingen.
Anne-Kristine Bergsjø lächelte, als wir in ihr Büro kamen,
aber es war kein freundliches Lächeln. Eine Wölfin hätte sie
darum beneidet.
»Du hast die Funkmeldung bekommen, wie ich sehe«, sagte
sie zu Pedersen.
»Welche Funkmeldung?«
»Veum wieder aufzusammeln?«
»Nein, wir – wir sind aus einem ganz anderen Grund zurückgekommen.«
Ich öffnete den Mund, aber sie kam mir zuvor: »Und aus
welchem?«
»Dieses Büro in der Urtegate.«
»Ja?«
»Es war leer wie ein verlassener Fuchsbau. Wenn überhaupt
jemals jemand drin war.«
»Wie sollte ich sonst die Wohnung kennen?« rief ich aus.
»Du hättest bluffen und in irgendein x-beliebiges Haus gehen
können!«
»Und wenn da jemand gewohnt hätte?«
»In der Gegend gibt es immer leerstehende Wohnungen.«
Anne-Kristine Bergsjø sah uns mit einem Blick voller schwarzem Humor an, als fände sie das Ganze auf eine merkwürdige
Weise unterhaltsam.
Ich wandte mich an sie. »Dann fragt Marit Johansen!«
»Das haben wir schon getan.« Sie machte eine Kunstpause.
Dann sagte sie ruhig: »Sie bestätigt, was du erzählt hast.«
»Aber warum zum Teufel … Warum war es dann so wichtig,
mich wieder aufzusammeln?«
»Es ist ein neues Moment aufgetaucht.«
»Ach ja?«
»Du hast uns selbst gebeten, deine Geschichte von diesem –
Mons Vassenden in Bergen bestätigen zu lassen.«
»Ja?« Unwillkürlich zog sich mir der Hals zusammen.
»Wir haben die Polizei in Bergen angerufen und sie gebeten,
uns dabei zu helfen. Wir bekamen sofort Rückmeldung.«
»Rückmeldung?«
Anne-Kristine Bergsjø sah mich düster an. »Mons Vassenden
ist tot. Er wurde tot in der Toilette aufgefunden, im Tagzug nach
Bergen, gestern vormittag.«
16
Einen Moment lang wurde mir schwarz vor
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