Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
sie. »Oder aber, er war jemand ganz Besonderes.«
»Das klingt logisch«, sagte Behzat Ç und warf einen erneuten Blick auf den Abschiedsbrief. Die Handschrift war charakteristisch genug, um leicht zu bestimmen, ob der Brief wirklich von ihr verfaßt worden war. »Und dann gibt es da noch diesen Vahap Hoca. Sie sollen sich sehr nahegestanden haben, bevor sie sich zerstritten haben.«
»Wer ist das?«
»Vahap Beyaz. Ein ehemaliger Schiri, der uns um einen ganz klaren Elfmeter betrogen hat. Das werde ich ihm nie vergessen.«
Behzat Ç und Harun lachten gleichzeitig auf. Haruns Gelächter schallte durch den gesamten Suppenladen, und ein paar von den traurigen Trinkern schauten neidvoll zu ihm herüber.
»Ihr seid aber lustig«, sagte Eda. Abrupt hörte Harun auf zu lachen.
»Sprich gefälligst respektvoller zu deinem Vorgesetzten!«
Da Behzat Ç befand, daß der Scherz ohnehin ausgereizt war, griff er ein: »Betüls Hochschullehrer Vahap Sarı. Wenn diese Ayşen nicht andauernd in Ohnmacht gefallen wäre, hätten wir noch viel mehr erfahren.«
»Er ist, glaub ich, Lehrbeauftragter bei den Geisteswissenschaften, oder Konrektor oder sowas.«
»Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent«, verbesserte er ihn. »Den müssen wir uns mal anschauen. Würde mich interessieren, warum sie sich zerstritten haben.«
»Soll ich ihn für morgen bestellen?«
»Lieber nicht. Das ist bestimmt einer mit Eiern in der Hose. Da müssen wir uns schon hinbequemen.«
Der Rauch der 216 stieg in Spiralen über dem Tisch auf.
»Habt ihr mal was von der Zeitschrift
Verzogen
gehört?«
»Hab ich. So eine Kulturzeitschrift ist das doch«, antwortete Eda.
»Beide haben angeblich für diese Zeitschrift geschrieben.«
»Betül und ihr Freund im Ausland?«
»Genau.«
»Hochgebildete Leute sind das«, sagte Harun. »Wie du.«
Eda las weitaus mehr Bücher und Zeitschriften als alle anderen bei der Mordkommission. An zweiter Stelle kam Behzat Ç, der jeden Tag einen Blick in die
Milliyet
warf und monatlich die Zeitschrift
Polis
bezog. Der Geier holte sich jeden Morgen eine
Posta
und löste ab und an die Kreuzworträtsel darin. Das Phantom hatte die Memoiren des ehemaligen Leiters der paramilitärischen Einheiten beim Nationalen Nachrichtendienst MIT, Mehmet Eymür, durchgelesen. Nicht, um Neues zu erfahren, sondern um zu kontrollieren, ob Eymür alles richtig dargestellt hatte. Harun bewahrte sich davor, das Alphabet zu vergessen, indem er die Sprechblasen der Karikaturen im
Penguen
und die Bildunterschriften der Fußballreportagen in der
Fotomatch
las. Die anderen lasen nichts als Vernehmungsprotokolle.
Behzat Ç bestellte die Rechnung und wehrte ab, als Harun Geld aus seiner Tasche holen wollte.
»Das übernehme ich«, sagte er. Denn Haruns Vater war krank, so daß er vermutlich kaum Geld zu erübrigen hatte.
»Wie geht es deinem Vater?«
»Noch immer keine Diagnose. Einfach nur bettlägerig.«
Eda wünschte ihm baldige Genesung.
»Danke. Ich glaube, er ist krank geworden, weil er in Rente ging. Vierzig Jahre lang war er Busfahrer, und als er von einem Tag auf den anderen aufhören mußte, lag er plötzlich flach. Ich finde, die Stadt sollte den pensionierten Busfahrern einen Bus schenken.«
Sie verließen das Restaurant. Die Straßen waren jetzt voll von mißmutigen Menschen, die im Morgenfrost zur Arbeit hetzten. Beim Einsteigen sagte Behzat Ç: »Die Barangestellten kommen heute, und Betüls Cousin. Ihr müßt die Aussagen aufnehmen.«
»Alles klar«, sagte Eda, und fügte mit einer Aura des Wichtigen hinzu: »Und jemand muß den Taxifahrer zum Gericht bringen.«
Behzat Ç hatte den Taxifahrer, den er am Silvesterabend festgenommen hatte, vollkommen vergessen.
»Darum soll sich Selim kümmern.«
Als der Name fiel, verfinsterte sich Haruns Gesichtsausdruck, was auch Eda nicht entging. Behzat Ç regte sich über diese Konstellation auf, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Beim Schließen der Autotür wunderte er sich, daß Harun nicht einstieg.
»Herr Hauptkommissar, du weißt doch, ich hab heute nachmittag noch was vor«, wobei er einen Seitenblick auf Eda warf, um zu sehen, wie sie damit klarkam. Eda blickte in eine andere Richtung, damit er sehen konnte, daß es ihr völlig egal war. »Deswegen würde ich gern nach Hause und mich etwas ausruhen.«
»Gut, aber komm morgen früh nicht zu spät.«
Eda fragte ihn: »Wohin fahren Sie?«
»Ich will die Großmutter von Betül besuchen.«
Am Zeitungskiosk gegenüber der
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