Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
staatlichen es taten, dennoch strahlten die Korridore jene beklemmende Enge aus, wie sie Wohnheimen eigen ist. Er kannte sie nur zu gut aus dem Militärinternat. Die Heimleiterin war eine geschwätzige Frau mit kleinem Bauch. Nachdem sie Ayşen telefonisch auf ihr Zimmer bestellt hatte, erläuterte sie ihren Gästen ausführlich die Vorzüge ihrer Einrichtung, um die Zeit zu füllen, bis sie erschien. Endlich klopfte Ayşen an und trat ein. Als sie die Beamten sah, wurde ihr Gesicht sofort wieder schneeweiß.
Behzat Ç schaute der Leiterin ins Gesicht und sagte: »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir uns mit Ayşen gern allein unterhalten.«
Abrupt stand sie auf.
»Selbstverständlich.«
Sie begleitete die drei ins Nebenzimmer und schloß die Tür von außen.
»Es gibt keinen Grund zur Sorge, wir wollten dir nur ein paar Fragen stellen, um die Formalitäten abzuwickeln.«
Behzat Ç wollte nicht, daß das Mädchen wieder ohnmächtig wurde.
»Kannst du uns noch einmal den Hergang der Tatnacht schildern? Das ist wichtig, weil du die letzte Person bist, die Betül gesehen hat.«
»Sie sagte, sie wolle frische Luft schnappen und ging auf die Terrasse.«
»Um wieviel Uhr genau?«
»Genau weiß ich es nicht. Es muß gegen eins gewesen sein. Nach einiger Zeit begann ich, mir Sorgen zu machen und ging zu ihr. Sie lehnte am Geländer der Terrasse und schaute nach unten.«
»Befand sich noch jemand auf der Terrasse?«
»Das hab ich doch beim letzten Mal schon gesagt. Da war niemand.«
»Wir haben aber Videoaufnahmen, die deine Aussage widerlegen.«
»Videoaufnahmen?«
Ayşen zeigte eine klare Überreaktion. Behzat Ç packte die Gelegenheit beim Schopfe.
»Du brauchst vor uns nichts zu verheimlichen. Wir wissen, daß du Betül ihren Freund weggeschnappt hast.«
Eda blickte prüfend zu ihrem Vorgesetzten, da sie sich gar nicht sicher war, ob er es wirklich wußte, ließ sich aber gegenüber Ayşen nichts anmerken. Behzat Ç hatte blind aus der Hüfte gefeuert, aber genau ins Schwarze getroffen. Ayşen weinte schon wieder.
»Daher denke ich, daß du dich mit Aykut zusammengetan hast und ihr Betül übers Geländer geworfen habt.«
»Nein, nein, nein!«, wehrte sich Ayşen.
»Habe ich unrecht?«
»Sie haben ja recht, ich hatte eine Affäre mit Aykut. Aber Betül war meine beste Freundin, wieso sollte ich sie vom Dach werfen?«
»Ich würde vorschlagen, daß du diese Frage selbst beantwortest.«
Eda zog ein Papiertaschentuch hervor und reichte es Ayşen. Man hörte den Lärm der betriebsamen Straße. Behzat Ç wedelte mit seinem Funkgerät vor Ayşens Nase herum und herrschte sie an: »Jetzt hör endlich auf zu heulen!«
Die Antenne wackelte wie ein Lehrerzeigefinger.
»Genug! Bei euch pennt doch jeder mit jedem. Von wegen beste Freundin!«
Er machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen und wies Eda an: »Nimm das Mädchen mit, wir gehen.«
»Warten Sie«, bat Ayşen. Behzat Ç drehte sich um. »Ich hör auch auf zu weinen. Ich beantworte alle Ihre Fragen. Ich hab ja nichts zu verbergen. Betül wußte doch von unserer Affäre. Weil ich es ihr erzählt hab. Hinterher hab ich mich total geschämt. Das war voll pubertär, was wir gemacht haben. Aber Betül hat mir verziehen. Für sie waren andere Sachen wichtiger.«
Behzat Ç zog das Foto hervor.
»Kennst du diesen Mann?«
Ayşen betrachtete lange das Bild.
»Kennen nicht, aber irgendwo habe ich ihn schon gesehen.«
»Wo?«
»Vielleicht an der Uni. Ich möchte Ihnen aber keine Fehlinformationen geben. Ich hab nicht so ein gutes Personengedächtnis.«
»Hast du den Mann in der Tatnacht gesehen?«
»Ach, genau«, sagte Ayşen, als sei es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen. »Der hat sich kurz mit Betül unterhalten. Gleich danach hat er die Bar verlassen.«
»Um wieviel Uhr?«
»Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.«
»Danke. Du hast uns sehr geholfen. Was du erzählt hast, wissen wir alles schon. Wir müssen jetzt herausfinden, wer dieser Mann ist.«
»Das weiß ich nicht.«
»Für eine beste Freundin weißt du aber sehr viele Dinge nicht.«
»Na, ich dachte nur, das wäre einer von denen, mit denen sie sich immer trifft.«
»Und was sind das für Leute, mit denen sie sich immer getroffen hat?«
»Solche Linke. Zu denen hatte sie Kontakt.«
»Kennst du die?«
»Nein, mit sowas will ich nichts zu tun haben. Betül hat sowieso ihre verschiedenen Freundeskreise nie miteinander bekanntgemacht.«
»Ihr seid auf die gleiche
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