Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
einem Eisenhaken neben der nackten Glühbirne befestigt. Die poröse Decke mit den unzähligen, zwischen Kratern und Erhebungen umhertanzenden Schatteninseln lud geradezu ein, Formen und Gebilde zusammenzuphantasieren. Nun gesellte sich zu dem Dröhnen aus Gebetsruf und Kötergekläff noch das Geschrei eines Mannes. Da er mal wieder übernächtigt war, vermischten sich all diese Stimmen in seinem Kopf zu einem Schlinggewächs aus Rauschen und Kreischen,
Hayyaaaa ‘ala as-salaaaaaaaaah… Hauuuuuuuuuuw… Wuff! Holt meine Tochter da runter! Hauuuuuuuuuw! Nehmt sie ab! Wuff! Hayyaaaaaaaaa ‘ala al-falaaaaaaaah
… Bei all seiner Körperkraft gelang es Harun nur mit Müh und Not, den Vater des getöteten Mädchens aus dem Zimmer zu zerren. Nun kam Sıtkı mit zwei Kollegen von der Spurensicherung herein.
»Wo bleibt ihr denn?«
Seine Stimme dröhnte unangemessen scharf. Sıtkı blickte ihn entnervt an, betrat das Schlafzimmer und machte sich an seiner mit allem möglichen Krimskrams gefüllten riesigen Tasche zu schaffen.
»Nehmt erst mal das Mädchen da runter.«
Er hatte eine 216 im Mund, aber sein Feuerzeug hatte den Geist aufgegeben. Er verließ die Wohnung und setzte sich auf die Stufen vor der Tür. Der Vater des Mädchens erlitt einen Anfall, den auch die beiden Beamten, die sich an seine Arme geklammert hatten, nur notdürftig abfedern konnten. Um sie herum bildete sich eine Menge von schaulustigen Greisen, die eigentlich rechtzeitig zum Morgengebet in der Moschee sein wollten. Zwei Nachbarn, die anscheinend einen leichten Schlaf hatten, öffneten ihre Fenster und fragten einander, was da wohl passiert sei.
Euer Klatschmaul hat die Blattern gekriegt, das ist passiert, dachte Behzat Ç, Mord und Totschlag, Vergewaltigung und Mißbrauch, sadistisch brutal und unmenschlich grausam
. Die Flurbeleuchtung erlosch. Er blieb einen Augenblick im Dunkeln sitzen und zerrte an seinem wollenen Rollkragen. Obwohl der Hausflur kalt wie ein Eispalast war, brach ihm der Schweiß aus. Inzwischen riefen auch noch ein paar Muezzine in der Ferne ihren Ezan, und einer wiederholte jeweils die Zeilen, die der vorherige gerade beendet hatte, bis aus dem morgendlichen Gebetsruf ein fürchterlich atonaler Kanon geworden war. Er versuchte sich noch mehrmals an seinem Feuerzeug. Als er überzeugt war, daß es nicht mehr funktionierte, schleuderte er es mit all seiner Kraft an die gegenüberliegende Wand. Die Splitter des explodierenden Körpers flogen durch das Treppenhaus.
Er fuhr zusammen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Es war das Phantom. Er nahm die brennende Zigarette entgegen und zog daran. Das Nikotin brachte ihn ein bißchen runter.
»Laß uns den Mann aus dem Stockwerk darüber mitnehmen«, sagte das Phantom.
»Warum?«
»Sein Sohn ist nicht zu Hause.«
Er schaute auf die immer größer werdende Menge Schaulustiger vor dem Haus.
»Na gut, aber führt ihn durch den Hinterausgang ab. Und ruft noch einen Streifenwagen. Wer hat den Hinweis auf den Sohn des Nachbarn gegeben?«
»Eine ältere Frau aus der Wohnung gegenüber. Sie hat jemanden gesehen, der vom Kohlenschuppen gesprungen ist und den Notruf informiert. Sie dachte, es wäre ein Einbrecher. So sieht es aus.«
»Hast du ein Aspirin dabei?«
»Ich nicht, aber Sıtkı bestimmt.«
Als das Phantom in Richtung Wohnung gehen wollte, hielt er ihn auf: »Warte. Ich frag ihn gleich selber.« Dann senkte er die Stimme. »Und, wer hat dich beschattet?«
»Ich kenne sie nicht. Das hat mich am meisten verletzt.«
»Haben die sich abgelöst?«
»Genau. Richtig professionell. Es waren mindestens drei.«
»Hast du sie sofort bemerkt?«
Das Phantom wedelte mit der Hand, sein Fachwissen durfte niemand in Verruf bringen. Behzat Ç zögerte, die naheliegendste Frage zu stellen. Das Phantom schien seine Gedanken lesen zu können.
»Ich glaube nicht, daß es die Jungs vom Geheimdienst waren«, sagte er. »Aber diese Aasfresser waren junge Spunde…«
»Das heißt?«
»Nichts ist unmöglich.«
»Warum, glaubst du, verfolgen sie dich?«
»Wenn ich das mal wüßte.«
Eine Weile blickten sie sich an, als gäbe es nichts mehr zu sagen. Dann brach das Phantom das Schweigen: »Özcan können wir schnappen, das ist nicht das Problem. Aber ich weiß nicht, was dann passiert.«
»Laß uns noch ein bißchen warten. Der andere Kerl ist übrigens auch bei der Organisation.«
»Welcher?«
»Der in der Bar zu Betül gegangen ist. Er heißt Muhsin Süvari. Wir haben
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