Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
vom gleißenden Licht der Theke verzerrt waren.
»Halt nochmal an.«
»Wo?«
»Da, wo man den Ausgang zur Terrasse sehen kann. Ist das da nicht Aykut? Der von sich behauptet, er sei Betüls Freund?«
»Genau.«
»Und neben ihm?«
»Ich würde sagen, Ayşen. Sie flüstern sich gegenseitig was ins Ohr.«
»Das ist kein Flüstern, in so einer Bar mußt du jemandem ins Ohr schreien, damit er dich versteht.«
Behzat Ç schaute auf die Planskizze der Bar.
»Das hier ist der Ausgang zur Terrasse, ja? Halt nochmal an.«
»Jawohl.«
»Meint ihr, die Tür ist offen?«
Alle sechs Beamten drängten sich vor dem Monitor, als wollten sie ihre Köpfe darin versenken.
»Das läßt sich nicht erkennen.«
Die Kamera schwenkte noch ein wenig und verharrte an der Stelle, wo Betül mit dem Mann gesprochen hatte. Der Mann war nicht mehr dort.
»Wissen wir, wann das aufgenommen wurde?«
»Kurz vor eins.«
»Und wo ist der Mann von eben?«
»Weg. Nachdem Betül weg war, ist auch er gegangen.«
Behzat Ç knallte das Foto vor Harun auf den Tisch und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er hatte seine Hände hinter dem Kopf verschränkt und beobachtete das Fußballfeld, das er sich im Kopf aus den Flecken an der Decke zusammengesetzt hatte.
»Meine Herren«, sagte er, »wir befinden uns auf halbem Wege zum gegnerischen Strafraum. Und jetzt findet mir diesen Kerl.«
»Wo sollen wir suchen?«
»Schaut euch die Akten über diese Organisation an. Und guckt euch den Teilnehmer mit der Mobilnummer an, an die Betül die SMS mit dem Text: ›Bin auf der Terrasse. Warte auf dich‹ geschickt hat. Wenn das nichts hilft, knöpft ihr euch alle, die in der Bar waren, noch einmal vor. Und wenn ihr ihn dann immer noch nicht habt, versucht’s bei Google. So, wir brechen auf. Wer möchte mit ins Mädchenwohnheim?«
Sämtliche Polizisten sprangen gleichzeitig auf.
»Bleiben Sie ruhig, meine Herren«, sagte Behzat Ç. »Eda, wir gehen.«
An der Tür drehte er sich noch einmal zu den Verbleibenden um.
»Diesen Özcan habt ihr immer noch nicht, oder?«
Harun war ein wenig beleidigt, daß er nicht mit ins Mädchenwohnheim durfte.
»Was weiß ich«, sagte er. »Wahrscheinlich will das Phantom die gesamten Strukturen der Organisation aufdecken. Was der so unter Personenüberwachung versteht.«
12
Das Wohnheim, in dem Betül und Ayşen bis vor vier Monaten zusammengelebt hatten, lag auf der Necatibeystraße. Behzat Ç parkte vor dem hotelähnlichen Gebäude und betrachtete die Menschen, die aus dem benachbarten Supermarkt kamen und den vereisten Gehsteig entlangwatschelten wie Pinguine, denen man vollgestopfte Einkaufstüten in die Hand gedrückt hatte. Ein besonders beladener Mann rutschte aus und beschrieb eine kunstvolle Acht auf dem Eis, bevor er sich wieder fing.
»Meinst du, die haben da Toilettenpapier im Zweierpack?«
»Weiß nicht«, antwortete Eda.
Im Supermarkt bei Behzat Ç um die Ecke gab es nur Toilettenpapier in Familienpackungen ab zweiunddreißig Rollen. Auch wenn das Preis-Leistungsverhältnis stimmte, löste es in ihm immer wieder Anwandlungen von Melancholie aus, als alleinlebender Mann mit einer Zweiunddreißiger-Packung Toilettenpapier nach Hause zu kommen.
»Haben wir das ballistische Gutachten für die Waffe immer noch nicht bekommen?«
»Nein.«
»Wie erklärst du dir die Verspätung?«
»Ich denke, es ist gar nicht verspätet. Das dauert doch immer so lange.«
Dabei schaute Eda allerdings so, als wüßte sie ebenfalls um die internen Dimensionen dieser Angelegenheit. Endlich fragte sie zögernd: »Was hat Ihnen denn der Staatsanwalt gesagt?«
Diese Frage hatte sie schon längst stellen wollen, bisher aber immer auf die richtige Gelegenheit gewartet.
»Unser Harun ist ein altes Klatschweib.«
Eda merkte sofort, daß sie sich einen Fauxpas geleistet hatte und blickte schweigend vor sich hin.
»Jemand muß wohl dem Staatsanwalt gesteckt haben, es sei nicht erwünscht, daß man sich mit der Sache allzu eingehend beschäftige«, erzählte Behzat Ç. »Nun ist der Staatsanwalt frisch aus seinen Examensprüfungen herausgehüpft und kontert natürlich sofort: ›Wie können Sie sich erdreisten, einem unabhängigen Justizbeamten in seine Arbeit reinzureden?‹ Ich würde da jetzt aber nicht in Verschwörungstheorien verfallen, sowas kommt ab und zu vor.«
Das Mädchenwohnheim
Ideal
war in der Tat von idealen Mädchen bewohnt. Der private Betreiber hatte sich mit der Ausstattung mehr Mühe gegeben als die
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