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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emrah Serbes
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meiner Dickköpfigkeit?«
    Şevket nahm einen eiligen Atemzug, um es endlich auszusprechen – er brachte es nicht fertig und schüttelte wütend den Kopf. Er starrte seinen Bruder an wie ein Stier einen Matador. Als er sich dann umdrehte, um die Wohnung zu verlassen, krallte sich sein Bruder an seinem Kragen fest.
    »Sag es mir, Bruder. Nicht runterschlucken. Was ist passiert, weil ich so stur bin? Na los!«
    Şevket stieß mit aller Kraft die Hände von seinem Kragen fort, riß sich los und ging zum tödlichen Stoß in die Flanke des Matadors über.
    »Als ob du es nicht wüßtest. Nur deinetwegen ist Vater herzkrank geworden. Du bist schuld an seinem Tod. Du hast ihn um seinen wohlverdienten Ruhestand gebracht. Plötzlich war er nicht mehr der großartige Oberst Rahmet, sondern nur noch der Vater von dem, der anderen die Zähne einschlägt. Da konntest du dich auch nicht beherrschen, nicht wahr? Der Hauptmann hatte kaum noch Zähne im Mund. Du bist wohl der einzige, der sich nichts gefallen läßt, der einzige, der eine Ehre zu verteidigen hat, ja? Kerl, wenn Vater sich da nicht zwischengehängt hätte, wärst du im Militärgefängnis bei lebendigem Leib verrottet. Weißt du überhaupt, was es heißt, einen Hauptmann zu schlagen? Das ist was anderes als irgendwelche pubertierenden Knaben ins Auto zu packen und zu verprügeln. Das ist das Militär! Unsere Armee! Die holen literweise Blut aus deinem Arsch, jawohl! Verdammter Mistkerl, je länger ich drüber nachdenke, desto wütender werde ich, der großartige Oberst Rahmet mußte sich bei all seiner Krankheit dahin schleppen und ein paar Paschas einschalten, wie wärst du denn sonst auf die Akademie gekommen? Natürlich hat Vater das aus seinem Stolz heraus nie offen gesagt, er hat so getan, als hätte er seine Finger da rausgehalten. Und, bist du seitdem klüger geworden? Kein Stück. Die gleichen Ausraster, der gleiche Psychopath…«
    Behzat Ç sank auf einen Stuhl. Das Geräusch der Dunstabzugshaube wuchs in seinem Kopf an und hob eine gewundene, veschlungene Grube bis in sein Inneres aus.
    »Ausgekotzt?«, sagte er. »Dann verpiß dich jetzt.«
    Şevket antwortete nicht, sondern atmete mit hochrotem Gesicht ein und aus. Er drehte seinem Bruder den Rücken zu, stürmte dann wutentbrannt ins Wohnzimmer, nahm sein Jackett und rief zurück: »Auf einen Bruder wie dich kann ich verzichten.«
    Er ging fort, ohne die Tür zuzuschlagen. Behzat Ç schaltete die Dunstabzugshaube aus, ging ins Wohnzimmer und drehte das Radio lauter. Er setzte sich in seinen Sessel und fuhr die Rückenlehne nach hinten. Als er genug von den allzu bekannten Formen an der Decke hatte, schloß er die Augen.
    »Wir schalten nochmal rüber ins Atatürk-Stadion nach Kayseri. Das, was sich da im Strafraum ereignete, war ja nur eines von zehn Fouls, so daß der Schiedsrichter Cüneyt Çakır ohne zu zögern auf den Elfmeterpunkt zeigte. Das ist für Gençlerbirliği die Chance für einen Ausgleich.«
    Während er sich also mit seinem Bruder abgeplagt hatte, hatten die Gençler ein Tor erzielen können und jetzt einen Strafstoß bekommen. Er fuhr auf, als er eine Berührung spürte. Zuerst erkannte er sie nicht, und als er sie erkannte, zweifelte er an der Wirklichkeit dieser Begegnung. Vor ihm stand Berna, mit vom Weinen geschwollenen Augen.
    »Der entscheidende Moment. Mehmet Çakır hat den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt.«
    Behzat Ç zog das Netzkabel des Radios aus der Steckdose. Er war sich jetzt sicher, daß er seinen Augen trauen konnte, mußte aber mit der Hand tasten, um letzte Zweifel zu zerstreuen. Berna stieß seine Hände fort und sagte: »Du hast mein Leben zerstört.«

18
    Der Mann, der allen das Leben zerstörte, schlug seinen Mantelkragen hoch, während er vor einem Kiosk gegenüber dem vornehmen Restaurant der Verwaltungswissenschaftler wartete. Er lächelte unsicher. Er war durchaus ein melancholischer Typ, dem eine Portion Traurigkeit manchmal gut stand; aber sich ganz und gar der Schwermut hinzugeben, war nichts für ihn. Erst recht nicht jetzt. Er schaute auf seine Uhr. Bahar war zehn Minuten zu spät.
    »Nun… Wann darf man eine Frau anrufen, die zu spät zu einer Verabredung ist? Nach einer Viertelstunde? Nach einer halben Stunde? Am nächsten Tag?«
    Der Kioskbetreiber öffnete das Schiebefenster. Er trug einen imposanten Schnurrbart und war so kräftig gebaut, daß er mit entblößtem und eingeöltem Oberkörper bei den Kırkpınar-Ringkämpfen in der zweiten Klasse

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