Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
Şevket Ç mit sechs Messerstichen. Der Täter stellte sich seinen Kollegen vom Dienst. Die Bluttat ereignete sich gestern in den frühen Nachmittagsstunden…«
Er zerriß die Zeitungsseite in seinem Kopf und schrie: »Was soll ich denn machen? Ich hab nun mal nicht das Geld, um mir eine Pompadour zu leisten!«
Er schaltete die Dunstabzugshaube an, um zu verhindern, daß Şevket weiterspräche. Doch dessen volltönendes Organ ließ sich nicht von einem Küchengerät beeindrucken. Nach dem ersten, lautstark geschlürften Schluck sagte er: »Genau darauf wollte ich hinaus. Weißt du, was ich mir gedacht habe? Du könntest dich aus dem aktiven Bürodienst entfernen lassen, aber deinen Beamtenstatus beibehalten. Jetzt hast du ihnen so lange gedient, da sollen sie ein Auge zudrücken, bis du pensioniert wirst. Dann kannst du im Hotel arbeiten und mal ein bißchen Geld verdienen. Aufhören kannst du immer noch. Und wenn es mal einen ganz wichtigen Fall gibt, den sie nicht aufklären können, schaust du vorbei und übernimmst das. Laß den Alltagskram von den anderen erledigen, die haben doch so viele junge, qualifizierte Leute. Frag dich jetzt nicht, wie das gehen soll. Ich regle das schon. Ich hab letztens mal mit Tahsin darüber gesprochen.«
Sofort drehte sich Behzat Ç um.
»Du hast mit Tahsin gesprochen?«
»Klar. Was ist denn dabei? Die haben bei uns im Hotel zu Abend gegessen, da waren auch so Hochrangige dabei. Tahsin hat zuerst gesagt, er würde dich nicht gehenlassen, aber das ist nur Rhetorik. Das hat er vor den Abteilungsdirektoren gesagt, weil es sich so gehört. In Wirklichkeit ist er froh, wenn er dich los wird. Und recht hat er. Deinetwegen kriegt er keine Beförderung. Beim Gehen hat er mich beiseite genommen und gesagt: Wir deichseln da was, wenn Sie es wünschen.«
Behzat Ç schlug die Cezve mit aller Kraft gegen den Gasherd. Der Kaffeesatz spritzte durch die Küche.
»Hör auf, an meinem Leben rumzudeichseln!«
Şevket klopfte den Kaffeesatz von seinem Hemd.
»Was soll das denn jetzt, Bursche? Willst du etwa deine Hand gegen mich erheben?! Ich zerquetsch dich unter meinem Schuh, Kleiner. Dabei will ich doch nur dein Bestes!«
»Darauf kann ich verzichten!«
»Dann verzichte doch. Ich hab sowieso Besseres zu tun, als dir hinterherzurennen. Du gehst mir sowas von am Arsch vorbei, Junge. Guck dich doch mal an! Wo wärst du denn ohne mich?«
»Wo wär ich denn, hä?«
»In irgendeinem Provinzkaff im Osten, du undankbarer Nichtsnutz! Schon längst wollten sie dich strafversetzen. Weißt du, wie oft ich mich einschalten mußte? Sogar Reşat hat alles stehen- und liegenlassen, Junge, der großartige Reşat, unser Reşat! Für dich hat er beim Polizeichef vorgesprochen. Kannst du dir vorstellen, Reşat! Das ist kein Scherz! Reşat, der mit dem Ministerpräsidenten ins Flugzeug steigt, wenn es drauf ankommt. Und dieser Mann hat für dich, ja, das ist auch mein Bruder, hat er gesagt, und für den mach ich alles, hat er gesagt, und hat für dich mit deinem Chef gesprochen.«
»Hab ich ihn etwa darum gebeten? Hab ich jemals von euch Protektion verlangt?«
»Die wirst du in Zukunft auch nicht mehr kriegen. Sieh doch zu, wo du bleibst. Nur deinetwegen hab ich mich auch noch vor Reşat blamiert.«
»Es reicht! Jedes zweite Wort ist bei dir Reşat. Soll ihn doch der Teufel holen, deinen Reşat. Der mit Autoschmuggel und Scheinrechnungen einen schnellen Reibach gemacht hat. Gestern noch ein kleiner Ganove, heute unsere Hausgottheit!«
Şevket, der schon zur Küchentür gegangen war, drehte sich noch einmal um: »Diese Fiesheiten, diese Anschuldigungen, diese Verleumdungen nimmst du nie mehr in den Mund! Sonst kann nicht mal ich dich retten. Niemand kann dich retten. Reşat fickt jeden. Und er sagt nicht, ach der Arme hat Kinder, zuerst fickt er mich. Du stürzst uns noch alle ins Verderben! Aus dir wird sowieso nichts. Die ganze Scheiße haben wir nur erlebt, weil du wahnsinnig bist, weil du ein Psychopath bist, weil du so stur bist. Wegen deiner Dickköpfigkeit…«
Şevket schwieg. Er wand sich vor Schmerzen unter dem Druck, etwas auszusprechen, was er schon seit Jahren hatte loswerden wollen, ohne sich je zu trauen. Behzat Ç verstand ihn. Es war ein Thema, das ihnen beiden durch den Kopf ging, das aber unaussprechlich schien. Seit Jahren waren sie der festen Überzeugung, daß es nicht angesprochen werden dürfe.
»Na los, sag es«, fuhr er ihn an. »Sag schon. Was ist denn alles passiert wegen
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