Bei Interview Mord
passiert war.
»Ich melde mich wieder, wenn ich was weiß«, sagte ich. »Ruf mich besser die nächste Zeit nicht an.«
»Gut, bis dann.«
Kurz blieb weiter auf der Bundesstraße. Irgendwann bremste er und setzte den Blinker. Ich wurde ebenfalls langsamer und ließ ihn in eine kleine Ortschaft fahren. »Müllenbach«, las ich auf einem Schild.
Die Verfolgung wurde gefährlich, weil es durch ein gut beleuchtetes Wohngebiet ging.
Die Straßen wurden immer enger, und dann kamen wir an einem Platz heraus, wo der VW-Bus plötzlich scharf abbog. Ich tastete mich weiter vor und riskierte einen Blick um die Ecke.
Schwärze. Der Weg verschwand in einem dunklen Loch. Hier war das Dorf zu Ende. Weit hinten flammten zwei Bremslichter auf. Ich schaltete die Beleuchtung aus und ließ den Wagen langsam in die Finsternis hineinrollen - so weit, bis ich etwas näher an dem VW-Bus heran war. Ich bekam gerade noch mit, wie Kurz die Scheinwerfer löschte.
Ich kämpfte mit der Revolverschaltung. Als ich den Rückwärtsgang endlich gefunden hatte, fuhr ich langsam ins Dorf zurück, parkte den Wagen im Wohngebiet und stieg aus. Kein Mensch war auf der Straße. Wieder hatte ich dieses unbestimmte Gefühl, dass mich aus den schwarzen Fenstern jemand beobachtete. Egal. Ich marschierte zu Fuß in den dunklen Weg hinein. Die Stabtaschenlampe nahm ich mit, schaltete sie aber nicht ein.
Die kurze Wanderung führte durch Wiesen hindurch in Richtung einer schwarzen Wand, die wahrscheinlich ein Wald war. Ein leichter Wind strich mir entgegen und brachte den Duft des Frühlings mit.
Nach und nach gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit, und vor mir wurden Konturen eines Hauses sichtbar. Ein alter Schuppen. Ich versuchte, etwas zu erkennen. Meine Augen hatten sich so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass ich vor dem Gebäude einen kleinen, mit Kies bedeckten Platz erkennen konnte. Meine Schritte knirschten, als ich ihn betrat.
Der VW-Bus war hier nicht. Ich lauschte in die Stille hinein. Je mehr ich die Ohren spitzte, desto deutlicher vernahm ich das Wispern des Windes in den Bäumen. Irgendwo sehr weit weg am Himmel ertönte ein dumpfes Kollern. Ein Flugzeug.
Kurz war verschwunden. Der Schuppen hier schien nicht sein Ziel gewesen zu sein. Ich folgte dem Weg weiter und sah nichts als dunkles unförmiges Gebüsch.
Wie weit war ich schon gegangen? Wo war Kurz?
Ich versuchte krampfhaft, etwas zu hören oder zu sehen, und blieb immer wieder stehen, um in die nächtliche Landschaft zu lauschen. Nichts. Nur säuselnder Wind. Reibende Grashalme.
Der Schein einer Lampe. Weit vor mir.
Sofort drängte ich mich an den Rand des Weges. Irgendwo dahinten ertönte ein schleifendes Geräusch. Der Bus wurde geöffnet. Die Fahrertür klappte, und in der Kabine ging die Innenbeleuchtung an. Der Motor wurde gestartet.
Der Wagen rangierte ein bisschen herum. Offenbar gab es da vorn genug Platz zum Wenden. Die Scheinwerfer tasteten an Bäumen entlang. Bevor sie die Dunkelheit genau in meine Richtung durchbohrten, rannte ich zurück und drängte mich an die Holzwand des alten Schuppens.
Der VW-Bus kam langsam an mir vorbei und fuhr holpernd in Richtung des Dorfes. Bald verlor sich das Motorengeräusch in weiter Ferne, und Stille lag wieder über dem Land.
Ich schaltete die Lampe ein - neugierig, ob weiter hinten noch ein Haus oder eine Scheune auf mich wartete.
Aber ich wurde enttäuscht: Wo der VW-Bus gestanden hatte, versperrte eine Schranke den Weg. Dahinter gähnte eine dunkle Fläche.
War Kurz doch in dem Schuppen gewesen? Ausgeschlossen. Das hätte ich mitbekommen. Er hatte sich weiter hinten auf dem Weg bewegt. Hinter der Schranke. Er war in das schwarze Loch gegangen.
Ich zögerte angesichts des schwarzen Nichts, das mich da erwartete. Dann quetschte ich mich an der Absperrung vorbei.
Ich kam in einen Wald. Dichtes Gewebe aus Bäumen, Sträuchern und Unterholz wuchs zu einer undurchdringlichen Masse zusammen. So oft ich auch in der Dunkelheit den Pegel der Lampe mal hierhin und mal dahin bewegte: Ich sah kein Haus, keinen Unterstand. Nichts, was darauf schließen ließ, wo Kurz das Motorrad versteckt hatte. Ich sah immer wieder auf die Uhr und ging kontrolliert eine Viertelstunde den Weg entlang, der schnurstracks geradeaus führte.
Einmal wurde im Schein meiner Lampe der Rest einer rissigen, niedrigen Mauer sichtbar. Sie säumte den Weg, der sich an dieser Stelle verzweigte. Was nun?
Ich blieb stehen. Es war stockdunkel, totenstill,
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