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Bei Interview Mord

Bei Interview Mord

Titel: Bei Interview Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Euro.
    Das Geld lag in ordentlich gestapelten Scheinen auf der blanken Fläche meines Schreibtischs. Daneben meine letzte Schachtel Zigaretten. Drei Stück waren noch drin. Das war praktisch alles, was ich noch besaß. Ich hatte seit fast einem halben Jahr keinen Auftrag mehr gehabt, und auch die Versuche, den Detektivberuf aufzugeben und etwas anderes zu finden, waren nicht gerade von Erfolg gekrönt gewesen.
    Ich war zweiundvierzig Jahre alt. Bis zu dem Moment, wo ich begann, mich auf allerlei Jobs zu bewerben, hatte ich gar nicht gewusst, dass man in diesem Alter bereits als schwer vermittelbar galt. Früher hatte man mit Anfang vierzig noch gut zwanzig Jahre Arbeit vor sich gehabt. Heute gehörte man schon vor der Midlifecrisis zum alten Eisen - nur eben ohne Einkommen.
    Ich starrte auf die Tischplatte. Also gut, ging ich eben jetzt schon in Rente. Aber wie? Mit dreihundertachtzig Euro und drei Zigaretten als Grundkapital?
    Das Telefon klingelte.
    Ich zuckte erschrocken zusammen, so unerwartet kam das elektronische Gejodel.
    »Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.« Dieser Spruch hatte als Stickerei die Wohnzimmerwand über dem Sofa meiner Eltern verziert. Jetzt, fast zwanzig Jahre nachdem meine Eltern gestorben waren, war ich versucht, daran zu glauben. Vielleicht war es ja ein Auftraggeber. Oder jemand, der mir einen anderen Job anbot.
    Es klingelte weiter. Ich ging ran.
    »Hallo, Remi. Gut, dass ich dich erreiche. Hör mal, du weißt doch, ich hab jetzt diesen Radiojob, und…«
    Es war Jutta. Geld hatte ich von der nicht zu erwarten. Bevor sie mich finanziell unterstützte, würde Elberfeld wieder selbstständig.
    Sie klang hektisch. Im Hintergrund war Straßenlärm zu hören.
    Offensichtlich telefonierte sie mit dem Handy. Mir wurde wehmütig ums Herz. Ein Handy - was für ein Luxus! Ich hatte meines schon längst abschaffen müssen. Zu teuer.
    »…du weißt schon… Die Interviews… Mein neuer Job!«
    Ein Job! Jutta hatte einen Job? Die Wehmut stieg. Warum kriegte sie einen Job? Sie brauchte gar keinen. Sie lebte von ihren Zinsen.
    Ich lehnte mich zurück und legte die Beine auf den Tisch. Die Euroscheine und die Zigaretten schob ich mit der Wade ein Stück zur Seite. Schön, wenn man so einen großen, leeren Schreibtisch hatte.
    »… mein Interview! Es kommt gleich im Radio! Live! Versuch mal, ob du in Wuppertal Radio Berg kriegst! Dann kannst du's hören. Ach, ich bin ja so aufgeregt!«
    Meine Gehirnwindungen hingen Juttas hektischen Ausführungen etwas hinterher. Deshalb brauchte ich einen Moment, bis ich antwortete: »Live? Du machst ein Live-Interview?«
    »Ja!«, rief Jutta. »Hier in Bergisch Gladbach. Auf dem großen Platz mitten in der Stadt. Um kurz nach fünf geht's los. Mein allererstes Interview!«
    Und dann gleich live, dachte ich. Mannomann.
    »Das darfst du auf keinen Fall verpassen! Meine Premiere!«
    Ich seufzte. Es war klar, dass Jutta jetzt keinen Sinn für meine Probleme hatte.
    »Ich werd's versuchen«, sagte ich. »Toi, toi, toi.«
    »Danke. Wir können uns ja heute Abend bei mir auf dem Brill treffen. Dann erzählst du mir, wie ich rübergekommen bin.«
    »Alles klar«, sagte ich.
    Ich nahm die Beine vom Tisch und stand auf. Nachdenklich rollte ich die Geldscheine zusammen und steckte sie in die Zigarettenschachtel. Wozu brauchte ich noch eine Geldbörse?
    Ich war versucht, mir eine Camel anzuzünden, ließ es aber. Ich musste sparen. Ich lenkte mich von meiner Misere ab, indem ich über Jutta nachdachte. Wie hatte sie das jetzt wieder geschafft? Ein Job beim Radio…
    Na ja, sie hatte überall ihre Finger drin. Lebte von einer satten Erbschaft. Ihren ziemlich alten Ehemann hatte sie schon ein halbes Jahr nach der Hochzeit verloren und war dadurch saniert. Eine lustige Witwe, die zehn Jahre älter war als ich, die mir aber immer wieder vorkam, als wäre sie ein junges Mädchen. Geld macht nicht glücklich? Jutta war der Beweis für das Gegenteil! Es machte nicht nur glücklich, sondern es hielt auch noch jung. Leider gab sie nichts von ihrer Jugend ab.
    Ich riss mich zusammen, verdrängte den Neid und ging die paar Schritte von meinem Büro ins Schlafzimmer. Dabei kam ich an dem langen Spiegel vorbei, den ich von meinen Eltern geerbt hatte. Meine schwarzen Haare hatten mal in Naturlocken den ganzen Kopf bedeckt. Doch seit ich die vierzig überschritten hatte, waren die Geheimratsecken immer unübersehbarer geworden. Immerhin brauchte ich

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