Bei Interview Mord
wollten.«
»Genau. Jetzt heißt es, wachsam bleiben.«
Ich war schon während des Telefonats ein bisschen unruhig gewesen, weil ich dachte, Kurz käme jeden Moment angefahren. Aber es blieb alles ruhig.
Nichts tat sich. Rein gar nichts. Ganz selten gab es ein bisschen Verkehr auf der Straße zu dem Dorf mit dem Kirchturm. Ob Auto oder Motorrad - alle fuhren sie wie die Henker durch den Wald. Niemand schien Notiz von mir zu nehmen.
Ich aß die zweite Stulle und trank die Cola-Dosen leer, und auf Kurz' Auffahrt blieb es still.
Langsam, aber sicher schliefen mir in der engen Blechbüchse die Beine ein. Ich öffnete die Tür und trampelte ein bisschen auf dem weichen Waldboden herum. Am Anfang traute ich mich nicht, auszusteigen, damit ich in jedem Fall sofort die Verfolgung aufnehmen konnte, falls Kurz wegfahren sollte. Aber das hätte ich mir sparen können. Ich hätte eine ganze Wanderung durch das Bergische Land unternehmen können. Einen schönen sechsstündigen Ausflug. Denn um acht Uhr abends tat sich immer noch nichts.
Zwischendurch rief Theresa an, und ich hatte keine Neuigkeiten.
»Vielleicht wartet er die Dunkelheit ab«, meinte sie.
»Sieht so aus. Aber dann ist er ziemlich blöd. Gerade in der Dunkelheit ist es schwer, einen Verfolger im Auge zu behalten. Die Dunkelheit ist eher ein Vorteil für mich.«
»Umso besser.«
Ich machte mir ein Spiel daraus, mich durch das Menü von Theresas Handy zu arbeiten und den Klingelton abzustellen. Jetzt vibrierte das Telefon nur noch.
Irgendwann bemerkte ich, dass bei Kurz wieder die Lampe über dem Eingang angegangen war. Die Dunkelheit senkte sich langsam über den Wald. Bald war es Nacht. Ich wartete und ließ die Einfahrt nicht aus den Augen.
Manchmal genehmigte ich mir ein paar französische Chansons.
Ich hatte gerade mal wieder auf die Uhr geschaut und festgestellt, dass nach meiner letzten Kontrolle erst fünf Minuten vergangen waren, da hörte ich ein Geräusch. Ein Wagen wurde angelassen. Endlich!
Ich reagierte sofort und startete den R4, ohne das Licht einzuschalten. Kurz darauf kamen zwei leuchtende Augen durch den Wald geschwebt: Kurz' VW-Bus.
Er bekam etwas Vorsprung, weil ich erst aus der Lücke ausparken musste. Ich rollte ohne Licht durch den Wald. Es war ein unheimliches Gefühl in stockdunkler Nacht. Ich dachte, jeden Moment läuft mir ein Tier vor den Wagen.
An der nächsten Abbiegung holte ich ihn ein. Ich bremste ab und ließ ihn ein Stück weit in Richtung Stadt fahren. Dann schaltete ich die Scheinwerfer ein und folgte ihm. Wir erreichten die Brücke, die hinüber ins Zentrum führte, und hier war unsere Reise auch schon zu Ende. Kurz bog in den Parkplatz hinter den Hecken, wo ich bei meinem letzten Besuch ebenfalls den Wagen abgestellt hatte.
Ich rollte an ihm vorbei und suchte mir einen Platz weiter hinten. Im Rückspiegel sah ich, wie er mit langen Schritten zum Köln- Torplatz hinüberging. Der Zopf an seinem Hinterkopf wippte. Das Metall an seinem Gürtel glitzerte im Licht der Straßenlampen.
Ich folgte ihm und bekam noch mit, wie er die Kneipe an der Ecke betrat.
Ich suchte mir einen Beobachtungsposten weiter hinten auf dem Platz, gleich neben dem spiralförmigen Brunnen, den ich neulich schon bewundert hatte.
Die Zeit verging wieder langsam. Das Wasser, das am Brunnen die geschwungene Spirale herunterlief, plätscherte leise. Ich beobachtete abendliche Spaziergänger. Ein paar Jugendliche beäugten mich misstrauisch und gingen weiter.
Ich hielt mich im Hintergrund, immer die Kneipe im Blick. Wenn ich mich langweilte, spazierte ich ein bisschen herum. Der hölzerne Unterstand mit dem Kartentelefon und dem Kondomautomaten blieb verlassen.
Um kurz nach zwölf kam Kurz aus der Kneipe. Ohne nach links und rechts zu schauen, verschwand er um die Ecke, wo es zum Parkplatz ging. Ich folgte ihm, und dann saßen wir wieder in den Autos.
Als Kurz auf die Straße einbog, war klar, dass er nicht zurück nach Hause wollte. Wir durchquerten die Stadt, und dann bogen wir auf die Bundesstraße Richtung Marienheide ein. Kurz schien es jetzt eilig zu haben; er gab deutlich Gas. Ich hatte gut zu tun, um dranzubleiben, und im selben Moment vibrierte das Handy in meiner Hosentasche.
»Ich dachte schon, du wärst verschollen«, sagte Theresa.
»Es hat alles ein bisschen länger gedauert.«
Ich brachte noch etwas Abstand zwischen mich und Kurz, bis ich von dem VW-Bus nur noch die roten Rücklichter erahnen konnte, und erzählte ihr, was
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