Bei Interview Mord
ich mitten in dem Hakenkreuzwald nachts eine halb verweste Leiche fand, legte Theresa plötzlich den Finger auf den Mund. »Psst«, machte sie.
»Was ist denn jetzt los?«
»Die Wände haben Ohren. Vergiss das nie, Remi.«
»Was?«
»Es gibt noch mehr Krimiautoren im Bergischen Land. Und die würden einiges für so eine Idee wie die mit dem Hakenkreuzwald geben.«
»Du meinst, sie würden dafür morden?«, sagte ich.
»Vielleicht. Aber jeder würde sich auf so was stürzen, ist doch klar. Versprich mir, dass du niemandem davon erzählst.«
»Das mach ich gern, aber es nützt nichts. Es hat damals dick und breit in der Zeitung gestanden. Wenn also deine Konkurrenten einigermaßen clever sind, dann haben sie die Idee schon längst notiert. Und so ganz nebenbei: Ich habe gehört, es gibt hier in Gladbach einen Krimiautor, der in seinen Büchern einen Wuppertaler Detektiv beschäftigt. Vielleicht hat er ja diese Idee auch aus der Zeitung. Ein-, zweimal wurde schon über mich berichtet.«
Theresa nickte nachdenklich. »Als du damals bei mir warst, habe ich fest vorgehabt, dich als Hauptfigur auftreten zu lassen. Aber der andere war mir zuvorgekommen.«
»Und was hast du dann gemacht?«
»Ich habe eine Bauarbeiterin zu meiner Heldin gemacht. Sie renoviert als Freiberuflerin alte Häuser. Und dabei kommt sie den unterschiedlichsten Geheimnissen auf die Spur. Zum Beispiel findet sie Sachen auf alten Dachböden. Briefe zum Beispiel. Oder rätselhafte Fotos. Oder auch Waffen.«
»Eine alte Armbrust, mit der jemand einen Mord begangen hat.«
»Gute Idee!«
»Wenn ich Zeit habe, lese ich mal was von dir. Ich bin wirklich gespannt. Klingt interessanter als die Sachen von deinem Kollegen. Hakenkreuzwald hin oder her. - Wie heißt der Typ eigentlich?«
»Der Detektiv in den Büchern?«
»Nein, der Autor.«
Theresa schüttelte den Kopf und verzog den Mund, als habe sie in eine Zitrone gebissen. »Ich komme gerade nicht auf den Namen. Ich glaube, ich hab ihn verdrängt.«
Gegen neun Uhr war es dunkel genug, um die Untersuchung des Kley-Knöter'schen Schuppens zu starten. Auf dem Stadtplan war zu erkennen, dass man von der Oberheidkamper Straße aus das Waldstück betreten konnte, das hinter Landauers und Kley-Knöters Gärten lag. Es musste ein Leichtes sein, von dort auf das Grundstück und zu der kleinen Hütte zu gelangen.
Ich lenkte den Wagen an die Bordsteinkante, stieg aus und täuschte einen harmlosen Abendspaziergang vor. Alles lag verlassen im Licht der Straßenlampen. Ich ging ein-, zweihundert Meter, bis die Straße eine Kurve machte und sich rechts die Bebauung änderte. Unregelmäßige Betonkästen kamen zum Vorschein, die man in dieser unwirklichen Beleuchtung für einen Gefängniskomplex hätte halten können. Ich hatte aber auf dem Stadtplan gesehen, dass es eine Schule war.
Eine dunkle Gestalt kam mir entgegen. Etwas klingelte leise, und am Ende einer Leine war etwas Kleines, ebenfalls Dunkles, das regelmäßig hechelte. Herrchen führte Bello Gassi.
Ich grüßte freundlich, als der Mann vorbeiging, und es kam sogar ein gemurmelter Gruß zurück. Dann bremste ich meine Schritte und orientierte mich. Neben mir begann der Wald. Ich hatte damit gerechnet, mich durch das Unterholz schlagen zu müssen, aber jetzt erkannte ich, dass ein schmaler Weg in die Dunkelheit der Bäume führte.
Ich ließ mir Zeit und setzte bedächtig einen Fuß vor den anderen. Die Luft war lau und angenehm. Es duftete nach Erde, und das Aroma mischte sich mit einem feinen Geruch nach Gras und Blüten. Man hätte etwas Netteres unternehmen können, als einen Einbruch zu planen. Es ging stetig bergauf. Nach zwanzig, dreißig Metern konnte ich nichts mehr sehen außer ein paar schwachen Lichtern von den Häusern in der Schreibersheide.
Schließlich tastete ich mich an einen Zaun vor. Dahinter war der Blick über die Rasenfläche frei bis zu den Häusern. Bei Heike Quisselborn war alles dunkel. Ob sie wieder bei ihrer Mutter war?
Ich folgte dem Zaun bis zu den Nachbarn. Das Haus der Kley-Knöters war hell erleuchtet. Ich konnte geradewegs ins Wohnzimmer sehen. Der Fernseher lief, und eine Gestalt bewegte sich. Miriam Kley-Knöter. Sie bückte sich und hob etwas vom Tisch auf. Dann drehte sie sich herum.
Jetzt erst konnte ich den Mann erahnen, der sich in einen Sessel gefläzt hatte und den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet hielt. Graues, schütteres Haar. Eine schwarz gerandete Brille. Er saß wie eine Statue da,
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