Bei Interview Mord
drei.
Ich lehnte mich an das Geländer und sah in die Ferne. Das Wüten des Verkehrs da unten war nicht gerade romantisch.
Vielleicht war es ganz gut, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Von der anderen Seite des Rasthauses führte ein Rundwanderweg in den Wald, und ich sah ältere Herrschaften mit Walkingstöcken und Spaziergänger mit Hunden an der Leine. Ich folgte dem Weg und gelangte nach wenigen Metern ans Ufer einer Talsperre. Ein Postkartenpanorama, wie man es sich nicht schöner vorstellen konnte, tat sich vor mir auf: Die glatte Wasseroberfläche spiegelte regungslos bewaldete Höhenzüge. Ein friedliches Bild, aber leider nur für Taube. Obwohl - man konnte sich einbilden, das beständige Donnern käme von einem Wasserfall und nicht von der Autobahn.
Ich schlenderte eine Weile den Weg entlang, gelangte zur Staumauer und las auf einem alten, bläulich angelaufenen Metallschild, dass es sich hier um die Eschbachtalsperre handelte. Die erste Trinkwassertalsperre in Deutschland. Ich nahm mir vor, mir die Sehenswürdigkeit für Jutta zu merken.
Als der Parkplatz wieder in Sicht kam, sah ich den grünen Volvo-Kombi sofort. Ein schwarzhaariger Mann stieg gerade aus. Seine untere Gesichtshälfte war von einem dunklen Dreitagesbart bedeckt. Sein Hemd und seine Hose waren ebenfalls schwarz.
Ich sprach ihn an. Es war Kostka.
»Danke, dass Sie sich die Mühe machen«, sagte ich.
»Kein Problem. Ich freue mich, wenn ich Ihnen helfen kann. Wenn einer mit einer solchen Armbrust, wie ich sie verkaufe, einen Mord begeht, finde ich das auch nicht besonders lustig.«
Ich nickte und folgte ihm hinter den Wagen. Er öffnete die Klappe. Ich konnte durch die Scheibe sehen, dass der Kombi mit vielen Kartons beladen war.
»Was wollen Sie denn nun genau wissen?«
»So wie es aussieht, hat der Mörder eine zusammenklappbare Armbrust benutzt.«
Kostka nickte. »Da kann ich Ihnen was zeigen. Eine Barnett, wie Sie gesagt haben.«
Er beugte sich in den Wagen und zog die Kartons auseinander.
»Das Modell heißt ›Delta Storm‹«, rief er aus den Tiefen des Innenraums nach draußen. »Das Ding können Sie zusammenklappen und in einem Rucksack verstauen.«
Kurz darauf hatte er etwas aus dem Auto gezogen. Es sah aus wie ein Gewehr. Doch da, wo der Lauf hätte sein müssen, schoben sich mehrere gebogene Teile übereinander.
Ein paar Wanderer gingen vorbei, doch sie beachteten uns nicht. Ich sah Kostka zu, wie er etwas ausklappte und festschraubte. Jetzt sah das Ganze wie eine Armbrust aus: eine Mischung aus Gewehr und Flitzebogen. Ich war überrascht, wie groß sie war. Geradezu beängstigend.
Wieder prüfte ich, wie sich die Passanten verhielten. Manche sahen verstohlen her. Niemand sprach uns an. Als ich einem älteren Paar in die Augen sah, blickten beide wie auf Kommando weg. So ähnlich musste es auch auf dem Konrad-Adenauer-Platz in Gladbach gewesen sein.
»So«, sagte Kostka, »jetzt haben wir eine gebrauchsfähige Armbrust. Es müssen aber noch ein paar Dinge passieren, bevor man damit schießen kann.«
»Und welche?«
Kostka griff wieder in den Karton und holte etwas hervor, das wie ein kleiner Faden aussah. »Die Sehne«, erklärte er. »Die müssen wir einhängen. Dann muss das Ding noch gespannt werden, und last but not least brauchen Sie einen Pfeil.«
Ich beobachtete den Armbrustexperten. Es dauerte relativ lange, bis man das Gerät schussbereit hatte. Jedenfalls viel länger als bei einer Feuerwaffe, die man nur durchzuladen und zu entsichern brauchte.
»Könnten Sie bitte mal zur Seite treten?«, bat Kostka. »Ich brauche Platz, um sie zu spannen.«
Er senkte die Armbrust nach vorn bis auf den Asphalt. Dann trat er auf einen der beiden Wurfarme, zog die Sehne zurück und hängte sie ein. Anschließend trat er in die Fußschlaufe am vorderen Ende und zog die Sehne nach oben, bis sie mit einem leisen Klick einrastete. Es sah nicht so aus, als ob man dafür sehr viel Kraft brauchte. Kostka erhob sich und hielt den Lauf nach unten.
»Jetzt noch den Pfeil rein und entsichern. Dann können Sie schießen. Wenn man geübt ist, kriegt man das in einer Minute hin.«
»Er hat den Pfeil eingelegt und geschossen. Was hat er dann gemacht? Ich meine, hat er das Ding wieder zerlegt?«
»Ich glaube, das hätte zu lange gedauert. Obwohl es auch Modelle gibt, die man auf Knopfdruck demontieren kann. Aber vielleicht hatte er einen Tragegurt dran. Zack, das Ding auf den Rücken - und weg.«
»Was ist mit dem
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