Bei Null bist du Tod
Seitenblick zu. »Hat es in deinem Leben jemals so einen Menschen gegeben?«
Er schwieg eine Weile. »Mein Vater. Wir waren … Freunde. Als Junge habe ich mir nichts anderes gewünscht, als auf unserer Farm zu leben, die Felder zu bestellen und so zu werden wie er.«
»Ein Bauer? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.«
»Es hat mir Spaß gemacht, etwas zu pflanzen und wachsen zu sehen. Das machen doch alle Kinder gern.«
»Und jetzt macht es dir keinen Spaß mehr?«
Er schüttelte den Kopf. »Man steckt Herz und Seele in den Boden und in einem einzigen Augenblick kann alles zerstört werden.«
Sie schaute ihn nachdenklich an. Er hatte die Worte beinahe beiläufig ausgesprochen, aber sein Gesichtsausdruck war mehr als ernst. »Ist euch das passiert?«, fragte sie und fügte hastig hinzu: »Nein, antworte nicht, das geht mich nichts an.«
»Es macht mir nichts aus, darüber zu sprechen. Das ist alles lange her.« Er ging schneller. »In unserer Gegend gab es ein paar militante Rassisten, die meinen Vater hassten, weil er seine Arbeiter gut behandelte. Eines Nachts haben sie die Farm überfallen und unser Haus und die Felder abgebrannt. Sie haben sechzehn Arbeiter getötet, die versucht haben, sie zu verscheuchen. Dann haben sie meine Mutter vergewaltigt und ermordet und meinen Vater mit einer Mistgabel an einen Baum gespießt. Er ist einen langsamen, qualvollen Tod gestorben.«
»Mein Gott. Aber du hast überlebt.«
»O ja. Ich habe den Anführer der Bande gereizt, indem ich mit einem Messer auf ihn losgegangen bin, daraufhin haben sie mich gefesselt und gezwungen zuzusehen, wie sie ihr Blutbad anrichteten. Ich bin sicher, dass er vorhatte, mich später ebenfalls zu töten, aber bevor es dazu kam, sind Soldaten gekommen. Unsere Nachbarn hatten das Feuer und den Rauch gesehen und die Soldaten alarmiert.« Er trat zur Seite und ließ sie zuerst ins Flugzeug steigen. »Sie meinten, ich hätte Glück gehabt. Aber so habe ich mich in dem Augenblick überhaupt nicht gefühlt.«
»Lieber Himmel.« Jane konnte den Schmerz beinahe spüren und das Grauen der Szene sehen, des Entsetzen des Jungen, der gezwungen war mit anzusehen, wie seine Eltern abgeschlachtet wurden. »Sind die Täter jemals gefasst worden?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sind im Busch verschwunden und die Regierung hat nichts unternommen. Die wollten sich die schlechte Presse ersparen, die ein Gerichtsprozess verursacht hätte. Verständlich.«
»Das finde ich ganz und gar nicht.«
»Damals fand ich das auch nicht. Aus diesem Grund wurde ich auch als unerziehbar eingeschätzt, als ich ins Waisenhaus kam. Doch mit der Zeit habe ich mich an das Leben im Heim gewöhnt und gelernt, Geduld zu üben. Mein Vater hat immer zu mir gesagt, mit Geduld kommt man weit.«
»Nicht, wenn diese Mörder ungestraft davonkommen konnten.«
»Ich habe nicht gesagt, dass sie ungestraft davongekommen sind. Kurz bevor ich nach Kolumbien gegangen bin, ist der Anführer der Bande auf grausame Weise zu Tode gekommen. Jemand hat ihn gefesselt, kastriert und verbluten lassen.« Er lächelte. »Ist es nicht wunderbar, wie das Schicksal manchmal Dinge für uns regelt?«
»Wunderbar«, wiederholte sie leise und starrte ihn an. Niemals war ihr bewusster gewesen, wie lebensgefährlich Trevor sein konnte. Er wirkte so weltgewandt und gebildet, dass sie seine gewalttätige Vergangenheit ganz vergaß. »Und man hat nie rausgefunden, wer das getan hat?«
»Wahrscheinlich jemand, der eine alte Rechnung mit ihm zu begleichen hatte, hieß es. Aber man hat nicht besonders gründlich nach dem Täter gesucht. Angesichts der schwierigen politischen Situation damals wollte man nicht zu viel Staub aufwirbeln.« Er schlug die Tür zu. »Am besten, du schnallst dich schon mal an. Wir heben bald ab.«
Sie schaute ihm nach, als er ins Cockpit ging. In den letzten Minuten hatte sie so viel über Trevor erfahren wie nie zuvor. Sie war sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht war. Jetzt, wo sie sich vorstellen konnte, was er als Junge durchgemacht hatte, würde sie ihn vielleicht nie wieder ansehen können, ohne sich daran zu erinnern. Ihr quoll das Herz über vor Mitleid.
»Nein.« Trevor schaute sie über die Schulter hinweg an und las ihre Gedanken. »Das ist es nicht, was ich von dir will. Ich will Sex, vielleicht sogar Freundschaft. Aber kein Mitleid. Ich bin kein Mike, den du trösten und beschützen musst. Du hast mir eine Frage gestellt und ich habe sie beantwortet, weil es
Weitere Kostenlose Bücher