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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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studieren. Knapp zwei
Stunden verbrachte ich mit den Fotos aller möglichen Schurken, von denen jedoch
keiner meinem boxenden Galgenvogelgesicht oder seinem Komplizen, dem
Doppelgänger meines Steuerbeamten, ähnelte. Das überraschte mich nicht im
geringsten. Man zeigte mir Fotos von Mairingauds Freunden und von den Freunden
seiner Freunde, aber meine zuschlagenden Besucher waren nicht dabei. Ich ging
hinunter zu Faroux, der sich schon vorher in sein Büro zurückgezogen hatte.
    „Nichts“, sagte ich.
    „Wunder passieren eben selten“,
erwiderte mein Freund. „Schließlich kennen wir nicht alle Freunde von
Mairingaud.“
    „Zählte Frédéric Jean auch dazu?“
    „Wohl kaum. Mairingaud und Konsorten
sind Gangster ganz besonderen Kalibers. Der Tote dagegen war ein armer Teufel.
Vor zwei Jahren wohnte er noch in Südfrankreich, wo er auch herstammte. Hier
und da kleine Gaunereien, mehr nicht. Dann reiste er in der Gegend herum, kam
irgendwie nach Lyon. Mit welchen Absichten, weiß ich nicht, aber ganz sicher
ohne Geld. Um sich welches zu beschaffen, langt er in die Kasse eines
Lebensmittelgeschäfts, läßt sich aber schon nach zehn Metern schnappen.
Einfacher Diebstahl, allerdings mit unerfreulicher Vorgeschichte. Resultat:
zwei Jahre, die er in Lyon absitzen mußte. Sie sehen, alles andere als ein
Glückspilz!“
    „Nein, wirklich nicht“, stimmte ich
zu.
    ,Und bis an sein Lebensende vom Pech
verfolgt’, dachte ich für mich.
    „Außerdem war er ziemlich blöd. Hat
sich zwei, drei Monate vor Haftentlassung aus dem Staub gemacht. Können Sie
sich das vorstellen?“
    „Vielleicht hatte er’s eilig, sich
abknallen zu lassen?“
    „Vielleicht. Tatsache ist, daß er
schon vor zwei Jahren nach Paris wollte.“
    „Na ja, da ist er ja jetzt auch.“
    „Ja.“
    „Schön. Und davon abgesehen, was mache
ich mit dem angebrochenen Vormittag?“
    „Nichts, wenn es sich irgendwie
einrichten läßt! Nehmen Sie Ihre Kanone und gehen Sie nach Hause.“
    Ich steckte meinen Revolver ein.
    „Freut mich sehr, daß Sie mich nicht
mehr für einen Mörder halten!“
    „Ihre Erklärungen haben mich
überzeugt. Hoffen wir, daß sie den Untersuchungsrichter von Versailles
ebenfalls überzeugen. Apropos, er will sie bestimmt vernehmen.“
    „Ich stehe ihm zur Verfügung. Ich
hoffe nur, daß er nicht auf den Kopf gefallen ist und sich keine
abenteuerlichen Theorien ausdenkt. Da wir gerade von Köpfen reden... Wie geht’s
denn Ihrem?“
    „Geht so. Ich hab mich wieder erholt.“
    „Auf dem Lande, ja. Hab’s gehört. Weit
weg von neugierigen Blicken und kollegialen Anspielungen auf weiche Birnen im
höheren Polizeiapparat... Und die Ermittlungen im Falle Pellerin?“
    „Wir fallen den Fernsehleuten in der
Rue Carducci mit unseren Vernehmungen und Überprüfungen auf den Wecker. Aber
sagen Sie, das ist ja ‘ne Welt für sich, diese Studios! Alles läuft überall
rum, Hektik, Bewegung... Unmöglich herauszufinden, wer bei der Ansagerin war,
nachdem Sie sie verlassen hatten. Aber wir werden es schon rauskriegen!“
    Ich versicherte ihm, daß auch ich
davon überzeugt sei, und verließ die Tour Pointue. Inzwischen war es
zwölf Uhr vorbei. Ich aß im Quartier Latin zu Mittag, und gegen zwei war ich in
der Agentur. Auch Hélène trudelte ein. Ich brachte sie auf den neuesten Stand
der Ereignisse.
    „Dann hat also das Galgenvogelgesicht
diesen Frédéric Jean umgebracht?“ rief sie aus.
    „Höchstwahrscheinlich. Nach meiner
Landpartie wollte er mich Samstagnacht erschießen, doch der Pechvogel Jean
geriet in die Schußlinie. Vermutlich handelte es sich dabei um eine Aktion auf eigene
Faust, die nicht den Beifall seiner Komplizen fand. Als die davon erfuhren —
von ihm selbst, nachdem er mich angerufen hatte, um zu hören, wie’s mir ging-,
da sagten sie sich: Besser, wir machen ihn unschädlich, dann kann er keinen
Schaden mehr anrichten. Der Schlauste war er nämlich nicht, das boxende
Galgenvogelgesicht. Seine Ermordung habe ich durchs Telefon miterlebt.“
    „Und was halten Sie von Frédéric
Jean?“ fragte Hélène.
    „Er lebte in Südfrankreich, als
Dolguet mit dem Fernsehteam dort weilte, das heißt, als die Alderton-Juwelen
gestohlen wurden. Er hat vor mir den Namen Dubaille erwähnt. Meiner Meinung
nach kannte er auch Dolguet und Roger, das Affengesicht. Dolguet und Roger sind
ohne ihn nach Paris zurückgefahren. Er versuchte, mit ihnen in Kontakt zu
treten. Da wurde er eingelocht. Nachdem er wieder ausgebüxt

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