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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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konnten sie sich hohe Geschwindigkeiten
erlauben. Irgendwo in einem der vielen Zimmer schlug es Mitternacht. Es
überraschte mich, daß hier in der Wohnung eine Wanduhr in Betrieb war. Paris
gab seine nächtlichen Geräusche von sich, so schwach wie ein Alibi, aber so
beharrlich wie ein böses Gerücht. Hier in der riesigen Wohnung, die trotz der
vielen Möbel nach Verlassenheit roch, herrschte Stille.
    Angela schlief noch nicht lange. Ich
hatte sie auf und ab gehen hören, wobei sie einen ziemlichen Lärm gemacht
hatte. Ihr Zimmer war nur durch ein weiteres Gästezimmer von meinem getrennt.
Nachdem ich das festgestellt hatte, hatte ich mich gefragt, was wohl passieren
würde. Nichts war passiert. Angela hatte auf die kleinen Provokationen des
Vorabends verzichtet.
    Ich rauchte meine Pfeife zu Ende,
schloß das Fenster, zog die Vorhänge zu und ging wieder ins Bett. Ein
unerklärliches Unbehagen hatte mich aufgescheucht. Jetzt lag ich wieder im Bett,
und es quälte mich dasselbe Gefühl, dessen Ursprung ich nicht ergründen konnte.
Irgend etwas stimmte hier nicht. Klar, meine Situation war höchst ungewöhnlich:
Um mich aus den Fängen der Flics zu befreien, hatte ich eine äußerst
verführerische kleine Maus, die ich erst seit vierundzwanzig Stunden kannte, um
ihre Gastfreundschaft gebeten, war aufgenommen worden und schlief nun wenige
Meter von ihr entfernt. So etwas passiert einem ja nicht alle Tage. Doch, in
einer solchen Situation konnte man schon ein seltsames Gefühl in der Magengrube
bekommen. Ganz sicher.
    Aber da war noch etwas anderes.
    Den ganzen nächsten Tag über geschah
nichts. Es war ein Donnerstag. Wie die Pariser Schüler hatten auch die
Ereignisse ihren freien Tag. Die Nacht brach zur üblichen Stunde herein. Gegen
Mitternacht schnarchte ich bereits, als das schrille Läuten des Telefons mich
weckte. Instinktiv stand ich auf, um an den Apparat zu gehen. Als ich in die
Bibliothek kam, stand Angela dort in einem vielversprechenden Nachthemd, den Hörer
bereits in der Hand.
    „Entschuldigen Sie“, murmelte ich und
machte Anstalten, mich zurückzuziehen.
    „Bleiben Sie“, sagte sie und reichte
mir den Hörer. „Für Sie.“
    Sie schenkte mir ein Lächeln und ging
hinaus.
    „Hallo“, brummte ich.
    „Hallo, Chef? Hier Reboul. Hab soeben
Hélène angerufen. Bei Ihnen hat sich niemand gemeldet. Hélène hat mir diese
Nummer gegeben... Hören Sie, Mutter Pellerin hatte Besuch von einem Einbrecher.
Mehr kann ich Ihnen im Augenblick nicht erzählen. Keine Zeit! Ich bin nämlich
schon viel zu lange aus dem Haus fort. Dort gibt es kein Telefon. Ich rufe Sie
von einem Bistro in der Rue des Forges aus an, dem einzigen, das noch geöffnet
hatte. Kommen Sie? Ich weiß wirklich nicht, was ich mit dem Kerl und der
ohnmächtigen Alten machen soll.“
    „Bin schon unterwegs.“
    Ich rannte in mein Zimmer. Vor der Tür
stolperte ich über Angela.
    „Ich komme mit“, sagte sie. „Ein
Glück, daß ich den Wagen gemietet habe, nicht wahr?“
    „Sie haben das Gespräch auf einem
anderen Apparat mitgehört“, sagte ich statt einer Antwort.
    „Ja“, gestand sie mit dem
entwaffnenden Lächeln eines kleinen, ungezogenen Mädchens, das soeben beim
Marmeladenaschen in der Vorratskammer erwischt worden ist. „Ja, ich weiß! Ich
bin schlecht erzogen.“
    „Die fällige Moralpredigt halte ich
Ihnen später. Jetzt gehen Sie wieder brav ins Bett! Ich brauche Sie im Moment
nicht.“
    „Doch“, widersprach sie. „Als
Krankenpflegerin. Haben Sie nicht gehört? Eine alte Dame ist ohnmächtig
geworden.“
    „Sie und Ihre alten Damen!“ seufzte
ich.
    Ich gab meinen Widerstand auf.
     
    * * *
     
    „Hier ist das Paket“, sagte Reboul,
indem er mit seinem Revolver auf den Gefangenen zeigte. „Ein harter Brocken.
Mußte ihn erst ein wenig verprügeln, um ihn fesseln zu können. Ich glaube aber
kaum, daß er dadurch noch häßlicher geworden ist.“
    Das Paket, das war Roger. Das
Affengesicht, der Kerl, den Dolguet von der Côte d’Azur mit nach Hause gebracht
hatte, der übernervöse Gangster aus der „Zitronen“-Bande. Noch genauso häßlich,
noch immer mit denselben Segelohren. Geknebelt, an Händen und Füßen gefesselt,
mit einer Beule an der Stirn, so lag er auf dem Teppich eines Zimmers im ersten
Stock. Madame Pellerin hatte es meinen Mitarbeitern für ihre Nachtschicht zur
Verfügung gestellt.
    Als Roger mich erblickte, riß er seine
Augen weit auf und knurrte etwas Unverständliches hinter seinem

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