Bei Rotlicht Mord
und ohne einen Sou
auf der Flucht war, kam er zu mir, um sein Wissen an mich zu verkaufen. Tja,
den Preis mußte er allerdings selbst bezahlen. Man kann behaupten, daß er mir
einen gewaltigen Dienst erwiesen hat.“
„Gut, daß Faroux Sie kennt und Ihnen
die Revolvergeschichte abgenommen hat!“
„Ja, aber auch wenn er glaubt, daß ich
nicht Jeans Mörder bin, so gibt ihm das Zusammentreffen der seltsamen
Begleitumstände bestimmt zu denken. Ich muß damit rechnen, daß er mich
überwachen läßt. Ich spüre, daß meine Bewegungsfreiheit von heute an
empfindlich eingeschränkt sein wird, auch wenn man mich nicht einsperrt. Na ja,
ich werde mich damit abfinden müssen und mich nicht mehr allzusehr bewegen.“
„Sie geben auf?“
„Nein! Aber was soll ich denn tun?
Eine Schaufel kaufen und Löcher im Parc des Buttes-Chaumont, im Bois de
Boulogne oder an all den anderen Orten graben, an denen Dolguet die
3oo-Millionen-Juwelen verbuddelt haben könnte? Nein. Was ich jetzt brauche, ist
viel Ruhe und eine gute Pfeife, mit der ich mich in einen bequemen Sessel setze
und nachdenke.“
* * *
Ich schloß mich in meinem Büro ein und
begann mit der angekündigten Denkarbeit. Ich versuchte es jedenfalls. Zur
Aktivierung meiner grauen Zellen holte ich sogar das Foto von Henri Dolguet
hervor und betrachtete es. Mit der affigen Weste und der heraushängenden
Uhrkette schien sich der selbstgefällige Dandy über mich lustig zu machen. Ich
steckte das Foto schnell wieder in meine Brieftasche. Es war alles für die
Katz. Bevor ich keine weitere Unterhaltung mit seiner ehemaligen Frau geführt
hatte, kam ich nicht weiter. Und auch dann bestand keine Garantie dafür, daß es
besser vorangehen würde. Optimistisch wie kein zweiter stand ich auf und ging
ans Fenster, um einen Blick auf die Rue des Petits-Champs zu werfen. Der
Verdacht, daß Faroux mich beschatten ließ, hatte sich in meinem Unterbewußtsein
festgesetzt. Plötzlich war mir der Gedanke daran unerträglich. Wenn ich mich
von den Flics verfolgt fühle, kann ich nicht mehr denken. Und wenn ich nun,
entgegen meiner Behauptung, irgendwohin gehen mußte? „Ein schönes, ruhiges
Versteck“, sagte ich zu mir, „wo du in Muße nachdenken kannst — oder schlafen
und von einem Wunder träumen! — , das ist es, was du jetzt brauchst!“ Ein
schönes, ruhiges Versteck? Na ja, warum eigentlich nicht? Ich schnappte mir das
Telefonbuch, das nach Straßen geordnet ist. Rue de d’Alboni 4 a, Madame
Alderton: RANelagh 09-87. Und wählte die Nummer in der Hoffnung, daß der Apparat
angeschlossen und jemand zu Hause war, der den Hörer abnehmen konnte. Der
Apparat war angeschlossen, und es war auch jemand zu Hause, der den Hörer
abnahm.
„Hallo“, meldete sich die etwas
furchtsame und überraschte Stimme von Angela Charpentier.
„Guten Tag“, sagte ich. „Hier Nestor
Burma. Kann ich Sie besuchen kommen?“
„Aber... Ja, natürlich.“
„Dann bis gleich.“
* * *
Mein Unterbewußtsein hatte mich nicht
getäuscht. Ich merkte bald, daß mir ein 4 CV folgte. Ostentativ. Mit
Menschenfresser auf dem Beifahrersitz. Ich deutete das als eine freundliche
Warnung von Florimond Faroux. Es bedeutete: Machen Sie keine Dummheiten, wir
sind in der Nähe! Eine Art Schutzmaßnahme gegen mich selbst. Danke, Kommissar!
Mit meinen Beschattern im Schlepptau
fuhr ich noch ein wenig durch Paris, dann parkte ich meinen Wagen auf dem
Parkplatz eines großen Kaufhauses. Ich betrat dieses Kaufhaus und verließ es
kurz darauf wieder, ohne daß mir irgend jemand folgte. Ich nahm ein Taxi, stieg
fünf Minuten später in ein anderes um und gelangte schließlich mit der Metro in
die Rue de l’Alboni.
Angela empfing mich in einem eleganten
Hauskleid. Ihre offensichtliche Freude war mit leichter Unsicherheit vermischt.
„Was verschafft mir die Ehre Ihres
Besuches?“ fragte sie nach der Begrüßung. „Ich freue mich sehr, Sie
wiederzusehen. Wissen Sie, ich habe nicht mehr damit gerechnet.“
„Und warum nicht?“
„Na ja... Ich dachte, Sie würden
denken, daß... Ich meine, nach meinem Verhalten neulich
„Reden wir nicht mehr darüber. Oder
nein, reden wir drüber! Ich bin gekommen, um Sie endgültig zu kompromittieren.
Gewisse Gründe — sagen wir: politischer Natur — zwingen mich, eine Zeitlang aus
meinem Büro und meiner Wohnung zu verschwinden. Ich möchte Sie um Asyl bitten.
Sie werden mir Ihre Gastfreundschaft doch wohl nicht verweigern, oder? Das
Ganze hängt
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