Bei schlechten Noten helfen gute Eltern
Und leiden dann, wenn sie die eigenen überhöhten und fremdgestellten Leistungsansprüche nicht erreichen. Schüler, die die Leistungsnormen verinnerlicht haben, können sich auch bei Versagen nicht rausreden. In unserer Zeit hatten wir für schlechte Leistungen noch viele Ausreden. Der Stoff ist blöd, der Lehrer kann nicht erklären, die Lust aufs Lernen ist abhandengekommen. Alles andere musste als schuldig herhalten, nur nicht wir selbst. Auch das hat sich geändert. Die zukünftigen Leistungsträger schreiben sich ihr Versagen selbst zu. Und überlegen schon, was sie tun könnten, um es das nächste Mal wieder besser zu machen. Aber wie? Höchstleister sind hier nicht um eine Antwort verlegen. Natürlich durch noch mehr Einsatz.
Das ist die Spirale, die auch ins Burnout führen kann. Wenn heute gleich reihenweise junge Erwachsene in den Burnout-Sog geraten, dann hat das auch damit zu tun, dass wir auf Höchstleistung fixiert sind. Und das verlangt natürlich seinen Preis. Der darf auch ruhig mal ein wenig höher sein, wie im Sport. Mit Doping, Gesundheit und Menschenleben.
Der Grat vom Sich-Fordern zum Sich-Überfordern wird seit Jahren schmaler und schmaler.
Um den Leistungsgedanken in die Schulen zu tragen, gehen Schulen kreative Wege. So hat eine Hauptschule einen Vortrag mit einem der regionalen Elite-Sportler organisiert, der von seinem Weg zum Weltklasseathleten eindrücklich berichtete. Und auch nicht die zahlreichen Rückschläge auf dem Weg dorthin aussparte. Als einer der Schüler am Schluss der Veranstaltung gefragt wurde, was ihm der Vortrag gebracht habe, kam die Antwort: »Ich hab gelernt, dass es nicht reicht, 100 Prozent Einsatz zu bringen. Sondern 150 Prozent.« Der Schüler war 14 Jahre alt.
Beruflicher Leistungsdruck durchdringt auch massiv die Erziehung. Um ihrem Kind später einen beruflichen Spitzenplatz zu sichern, wollen ihm Eltern so früh wie möglich die besten Fördermöglichkeiten bieten. Um ja nichts zu verpassen, besuchen die Kleinen einen zweisprachigen Kindergarten plus Ballettkurs und Ausdrucksmalen, das am Samstag stattfindet. Schon unsere Kleinsten sind komplett verplant. Die Gefahr besteht, dass Eltern ihre Kinder nur noch unter dem Gesichtspunkt der Leistungserbringung sehen. Auf dem Spielplatz vergleichen Eltern dann ihr Kind mit den anderen. Wo ist mein Kind weiter, wo ist es zurück, fragen sich viele besorgt. Dabei sind Unterschiede in der Entwicklung von Kindern normal und noch kein Grund zur Besorgnis.
Das Kind spürt die hohen elterlichen Erwartungen. Einige wenige, mit einem breiten Begabungsspektrum Gesegnete, mögen diesem Druck standhalten. Die meisten aber, wie weniger Begabte, leiden unter dieser Situation. In ihnen reift die Überzeugung nicht zu genügen, egal wie sehr sie sich aus ihrer Sicht auch anstrengen. Kein Wunder, dass viele psychosomatisch krank werden, Versagensängste entwickeln oder Schule und Lernen verweigern.
Auch zu Beginn des dritten Jahrtausends ist Kind sein kein Zuckerschlecken.
Manchmal führt weniger weiter als mehr.
Dass zu frühe Förderung direkt am Kind vorbeiläuft, zeigt Professor Remo Largo, z.B. in: »Kinderjahre. Die Individualität des Kindes als Herausforderung«. Er ist fundierter Kritiker einer Auf-Teufel-komm-raus-Förderung.
3 Sogar in der Freizeit unter Strom
Zwar arbeiten wir eigentlich weniger, zwar nimmt uns die Technik im Haushalt vieles ab – aber trotzdem fehlt uns vor allem eins, nämlich Zeit. Wir haben uns perfekt selbst verplant. Und unsere Kinder auch. Die Schule, die Hausaufgaben, die Hobbys.
Diese hektische Aktivität dient immer weniger unserem Vergnügen. Sondern viel zu oft unserer Perfektionierung. Früher lebten wir, um zu arbeiten. Heute, um uns zu optimieren. Wir optimieren unsere Ernährung, entspannen uns schnell beim Power-Nap (eine Art Kurz-Mittagsschlaf, der Autor), arbeiten an unseren Beziehungen, stylen unseren Körper, trainieren im Fitness-Studio unsere Figur und lassen uns im Beauty-Studio glätten und straffen. Es gibt nichts, wo wir nicht noch mehr aus uns herausholen könnten. Wir behandeln uns wie einen Motor, der immer mit Vollgas laufen muss. Und das ohne Wartung. Ein autodestruktives Gemisch aus eigenem Perfektionsstreben und hohen Leistungsanforderungen von außen bringt immer mehr Menschen dazu, sich langfristig zu überfordern. Und das strahlt auf unsere Kinder aus. Und prägt unsere Beziehung zu ihnen. Wir sind verführt, auch unsere Kinder zu
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