Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
Einsamkeit gut. Ungestörtes Nachdenken empfand er als persönliches Recht. Niemand, absolut niemand, durfte sich in sein Leben drängen.
    In der vergangenen Nacht war Grant durch Gennies Klopfen bei der Arbeit an seinem gegenwärtigen Projekt gestört worden. Da sein Gedankengang plötzlich wie abgeschnitten war, hatte er die Tür mit dem innigen Wunsch geöffnet, den Eindringling zu strangulieren. Gennie konnte also von Glück reden, dass er sich dann nur auf Grobheiten beschränkte. Einem zufälligen Besucher hatte er einmal gedroht, ihn in den Ozean zu werfen.
    Nachdem Gennie in der Küche zurückgeblieben war, dauerte es länger als eine Stunde, bis Grant sich wieder auf seine Tätigkeit konzentrieren konnte. Obwohl bereits die Sonne auf das Fußende seines Bettes schien, hatte er sich keineswegs beruhigt.
    Noch benommen nach kaum vier Stunden Schlaf lauschte er der ungewohnten Stimme, die durch das Treppenhaus drang. Gennie sang ein albernes kleines Lied. Er kannte es aus dem Radio. Rundfunksendungen, das Fernsehprogramm und ein Dutzend Zeitungen bildeten Grants tägliche Unterhaltung.
    Sie sang nicht übel. Ihre tiefe, weiche Stimme verlieh den törichten Worten des Schlagers etwas Verführerisches. War es nicht schlimm genug, dass sie gestern seine Arbeit unterbrochen hatte? Musste sie nun auch noch seinen Schlaf stören?
    Grant zog ein Kissen über den Kopf. Aber seine Gedanken ließen sich nicht so einfach abstellen. Es war leicht, sich mit geschlossenen Augen ihr Bild auszumalen. Fluchend warf Grant die Decke beiseite, sprang aus dem Bett und griff nach seinen verwaschenen, abgeschnittenen Jeans. Halb verschlafen und doch aufgewühlt ging er hinunter.
    Er bemerkte, dass sie das Gästezimmer nicht benutzt hatte, und runzelte ärgerlich die Stirn. Dann folgte er der trällernden Stimme in die Küche.
    Gennie war barfuß und trug noch immer seinen Bademantel. Das lange Haar, jetzt trocken und voll, fiel in weichen Wellen über ihren Rücken. Grant hätte gern hineingefasst. War der rote Schimmer echt, oder spielte die Sonne mit den Farben? Auf dem Herd brutzelte Frühstücksspeck in der Pfanne, und der frische Kaffee roch herrlich.
    »Was zum Teufel tun Sie hier?«
    Gennie fuhr herum. Eine Hand griff erschrocken nach dem Herzen, und mit der anderen umklammerte sie die Fleischgabel.
    Trotz des unbequemen Sofas war sie in bester Laune und mit riesigem Hunger erwacht. Die Sonne lachte vom Himmel, Möwen schrien, und der Eisschrank enthielt genügend Vorräte. So hatte Gennie beschlossen, Grant Campbell noch einmal eine Chance zu geben. Sie nahm sich beim Herumwirtschaften in seiner Küche fest vor, ihm freundlich und geduldig entgegenzutreten.
    Mit zerzaustem Haar, unrasiertem Gesicht und halb nackt stand er vor ihr, offensichtlich äußerst ärgerlich. Gennie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, nachdem sie sich schnell wieder gefasst hatte. »Ich mache das Frühstück. Es schien mir das Mindeste an Dankbarkeit, nachdem ich die letzte Nacht hier verbringen durfte.«
    Wieder hatte Grant das Empfinden, sie irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Aber sein Stirnrunzeln verstärkte sich. »Ich mag es nicht, wenn jemand morgens Lärm macht und außerdem meine Küche durcheinanderbringt.«
    Gennie öffnete den Mund und schloss ihn rasch wieder, bevor eine entsprechende Antwort herausschlüpfen konnte. »Zerbrochen habe ich bisher nur ein Ei«, sagte sie. »Würden Sie uns beiden einen großen Gefallen tun? Nehmen Sie sich eine Tasse Kaffee, setzen Sie sich und seien Sie still.« Mit unnachahmlichem Schwung warf sie den Kopf zurück und drehte Grant den Rücken zu.
    In Grants Gesicht war deutlich Überraschung, aber auch Anerkennung zu lesen. Nicht jeder konnte mit samtweicher Stimme einen so nachdrücklich auffordern, den Mund zu halten. Das hatte sie gut gemacht. Er unterdrückte ein Lächeln, holte seinen Kaffeebecher aus dem Schrank und tat genau das, was sie gefordert hatte.
    Gennie sang nicht mehr, und Grant bekam das Gefühl, es fiele ihr nicht ganz leicht, einen gelassenen Eindruck zu vermitteln. Doch wahrscheinlich war es besser, wenn sie ihre Gedanken nicht in Worte fasste.
    Durch den heißen Kaffee verschwand seine Müdigkeit. Grant fühlte sich ausgeruht und äußerst hungrig. Zum ersten Mal bereitete in dieser Küche eine Frau das Frühstück. Zur Gewohnheit sollte das nicht werden, überlegte Grant, aber ausnahmsweise konnte man es sich gefallen lassen.
    Wortlos stellte Gennie Teller und eine Platte

Weitere Kostenlose Bücher