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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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verstehe ich. Wir haben beide jemanden verloren, den wir liebten und von dem wir in unserer eigenen Weise abhängig waren. Ich weiß, wie es ist, den geliebten Menschen vor den eigenen Augen sterben zu sehen.«
    Grant hörte die Tränen in Gennies Stimme und wandte sich ihr wieder zu. »Nicht. Das musst du beiseiteschieben … nicht vergessen, aber wegstecken. Ich glaubte, dass es mir gelungen sei. Aber als ich dich kennenlernte, kam alles zurück.«
    Gennie nickte und schluckte. Jetzt war wirklich nicht der geeignete Moment, um die Vergangenheit heraufzubeschwören. »Du wolltest an jenem Tag, dass ich weggehe.«
    »Mag sein – ja.« Grant schaute über Gennies Kopf auf den Rand der Klippen. »Es erschien mir der einzig mögliche Weg. Vielleicht stimmt das sogar. Ich kann nur damit nicht leben.«
    Verwirrt drückte sie seinen Arm. »Warum glaubst du, dass eine Trennung das Beste wäre?«
    »Weil unser Lebensstil so vollkommen verschieden ist, Gennie. Und jeder für sich war zufrieden. Jetzt …«
    »Jetzt?« Gennie wurde böse. »Bist du tatsächlich noch immer so dickköpfig, dass du einen Kompromiss außer Frage stellst?«
    Grant begriff nicht. Er blickte sie verblüfft an. Warum sprach Gennie von Kompromiss? Wo er doch auf dem besten Wege war, hier alles zusammenzupacken und ihr zu folgen. »Kompromiss?«
    »Du kennst nicht einmal den Sinn des Wortes. Für jemanden, der so clever und scharfsinnig ist wie du, bist du ein sehr engstirniger Narr.« Wütend drehte sie sich um und wollte weggehen.
    »Warte!« Grant hatte Gennie so schnell beim Arm ergriffen, dass sie gegen ihn stolperte. »Du hörst nicht zu. Ich bin bereit, das Land zu verkaufen … zu verschenken, wenn du es willst. Wir können in New Orleans leben. Verdammt, ich lasse in allen Tageszeitungen verkünden, dass ich der Urheber des Macintosh bin, wenn es dich glücklich macht. Von mir aus kann jede Zeitschrift in unserem Land unser Bild auf der Titelseite bringen.«
    »Denkst du wirklich, dass ich das möchte?« Gennie war so ärgerlich wie mindestens ein Dutzend Mal zuvor bei ihm. »Du simpler, egoistischer, verrückter Kerl! Es ist mir gleich, wo und wie du deinen Strip zeichnest! Es ist mir gleich, ob du fürs Titelfoto posierst oder die Paparazzi zum Fenster hinauswirfst. Das Land verkaufen?«, fuhr sie fort, während Grant versuchte, das zu verstehen, was sie sagte. »Weshalb um Himmels willen willst du das? Für dich ist alles entweder schwarz oder weiß. Kompromiss!«, schrie Gennie ihn an. »Das bedeutet nehmen und geben. Mir ist es egal, wo wir wohnen.«
    »Was weiß denn ich?« Das bisschen Geduld, das Grant hatte, war nun auch zu Ende. »Ich weiß nur, dass du in einem besonderen Rahmen gelebt hast, und du warst glücklich darin. Deine Wurzeln sind in New Orleans, deine Familie …«
    »Daran wird sich auch nichts ändern. Aber deshalb muss ich doch nicht zwölf Monate des Jahres dort verbringen.« Wütend warf Gennie das Haar zurück. Wie dumm konnte ein intelligenter Mann eigentlich sein? »Ja, du hast recht, mein Lebensstil war ziemlich eingefahren. Aber das muss von mir aus nicht so bleiben. Was ich nicht ändern könnte, das ist meine Kunst. Ich würde selbst dir zuliebe nicht damit aufhören. Es ist mein Leben. Im November muss ich in New York ausstellen, das brauche ich, und du musst bei mir sein. Doch eine Menge anderer Dinge sind entbehrlich, wenn du mir nur auf halbem Weg entgegenkommst. Es ist fast lächerlich, aber ich habe mich in dich verliebt. Warum sollte ich dich, so wie du bist, aufgeben?«
    Grant kannte sich überhaupt nicht mehr aus. Was Gennie sagte, klang selbstverständlich, seine Worte dagegen völlig unvernünftig. »Du möchtest einen Kompromiss haben, oder?«
    »Mehr: Du musst mir vertrauen.«
    »Gennie!« Grant ergriff ihre Hand. »Das tue ich doch und versuche die ganze Zeit, es dir klarzumachen.« Langsam zog er sie an sich. »Du bist der Mittelpunkt meines Lebens. Als du weg warst, bin ich nach New Orleans geflogen und …«
    »Du bist nach New Orleans geflogen?« Erstaunt schaute Gennie in Grants Gesicht. »Du hast mich gesucht?«
    »Aus verschiedenen Gründen«, flüsterte er. »Zuerst wollte ich dich erwürgen, dann vor dir knien, zuletzt dich einfach nur nach Hause bringen und einsperren.«
    Lächelnd lehnte Gennie ihren Kopf an seine Brust. »Und jetzt?«
    »Jetzt … jetzt schließen wir einen Kompromiss. Ich lasse dich am Leben.«
    »Das ist wenigstens ein Anfang.« Aufatmend schloss Gennie ihre Augen.

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